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Tafeln in der Krise: „Wir schicken jede Woche Leute nach Hause“

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Von: Moritz Serif

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Tafel
In der Laib und Seele- Ausgabestelle in Berlin verteilt eine ehrenamtliche Tafel-Mitarbeiterin Salat. © Christophe Gateau/dpa

Die Inflation und steigende Energiepreise infolge des Ukraine-Krieges wirken sich auf die Tafeln aus. Es kommen immer mehr Menschen. Lebensmittel sind knapp.

Berlin – Immer mehr Menschen sind auf die Hilfe der Tafel angewiesen – obwohl das Hilfswerk immer mehr an seine Grenzen stößt. „Die Lage ist bei allen Tafeln extrem angespannt“, sagte eine Sprecherin des Dachverbands Tafel Deutschland. „Wir schicken jede Woche Leute nach Hause“, berichtete kürzlich die Potsdamer Einrichtung angesichts des gestiegenen Andrangs. Hintergrund sind der Krieg in der Ukraine und steigende Preise. „Es kommen auch mehr Menschen, die einen Job haben.“

Die bundesweit rund 960 Tafeln verteilen an Bedürftige Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden können. Der Dachverband spricht inzwischen von deutlich mehr als zwei Millionen Kundinnen und Kunden, mehr als je zuvor. Das DIW hat die Teilnehmer seiner Umfrage-Serie Sozio-oekonomisches Panel 2020 gefragt, ob aus ihrem Haushalt im Vorjahr jemand bei einer Tafel war. Es kommt so auf knapp 1,1 Millionen Menschen, die von den Angeboten profitierten.

Tafeln: Hohe Inflation wirkt sich aus

„Natürlich wirkt sich auch die derzeit hohe Inflation auf die TafelbesucherInnen aus“, erklärte DIW-Forscher Markus Grabka zur aktuellen Lage. Hohe Energie-Vorauszahlungen führten auch Menschen mit nicht ganz geringem Einkommen in die Einrichtungen. Hinzu kämen viele geflüchtete Menschen aus der Ukraine.

Gleichzeitig werde die Versorgung schwierig, weil die Lebensmittelgeschäfte weniger Lebensmittel verschwenden, die sonst an die Tafeln gegangen wären. Beispiele sind Angebote mit „geretteten Lebensmitteln“ im Ladenregal. Nach Angaben der Tafeln sind die Besucherzahlen seit Jahresbeginn bundesweit etwa um die Hälfte gestiegen.

Immer mehr Menschen müssen zur Tafel

In Berlin, wo auch viele ukrainische Flüchtlinge zuerst eintreffen, ist es noch mehr. Anfang des Jahres kamen pro Monat noch etwa 40.000 Menschen zu den 47 Berliner Tafeln, nun sind es deutlich über 70.000, wie Leiterin Antje Trölsch sagte. Viele davon seien vor dem Krieg aus der Ukraine geflüchtet. Hinzu kämen Deutsche, die die starken Preissteigerungen nicht mehr verkraften. „Leute, die es vorher irgendwie geschafft haben, kommen jetzt auch zu uns.“

Drei Viertel der Menschen, die Tafeln 2019 nutzten, lebten von Grundsicherung, wie das DIW herausfand. Viele seien von Armut bedroht und gesundheitlich beeinträchtigt. Besonders häufig nutzen Alleinerziehende und Paare mit Kindern die Tafeln. Ein Viertel der Menschen, die von den Tafeln profitierten, seien Kinder. Unklar ist derweil, wie lange die Tafeln noch durchhalten. Auch Schließungen sind möglich. (mse/dpa)

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