Türkische Zeitung „Sabah“ späht Exiljournalist aus und veröffentlicht Anschrift

Die regierungsnahe türkische Zeitung „Sabah“ hat die Anschrift des Exiljournalisten Abdullah Bozkurt in Schweden veröffentlicht. Es ist das zweite Mal binnen weniger Wochen.
Stockholm – Erneut hat die regierungsnahe türkische Zeitung Sabah einen Exiljournalisten auf ihrer Titelseite zur Zielscheibe erklärt. Das Blatt druckte Bild des Journalisten Abdullah Bozkurt ab, der in Schweden lebt. Der Titel „Der Terrorist, der Karlow töten lassen hat, ist in Schweden“ stellt Bozkurt als gefährlichen Mann dar, der hinter Morden und Terroranschlägen steckt. Neben seiner Adresse wurde das Foto seines Wohnhauses abgedruckt, in dem er gemeinsam mit seiner Familie wohnt.
Exiljournalist bereits 2020 von drei Männern zusammengeschlagen
Bereits 2020 wurde Bozkurt, der früher Chefredakteur der Gülen-nahen englischsprachigen Zeitung Today´s Zaman war, vor seinem Wohnhaus in Stockholm von drei Männern überfallen und zusammengeschlagen. Anschließend musste der Familienvater umziehen. Ähnlich wie im Fall des Exiljournalisten Cevheri Güven, dessen Wohnhaus und Wohnort ebenfalls in der Sabah veröffentlicht wurden, war Bozkurts neue Adresse mit einer Auskunftssperre belegt. Es sei deshalb sehr wahrscheinlich, dass der türkische Geheimdienst MIT hinter der Veröffentlichung steckt, fürchtet der Exiljournalist. Ohne geheimdienstliche Mittel hätte man seine Adresse nicht herausfinden können.
Sabah wirft Terrorismus und Mord an russischem Botschafter vor
Die Sabah wirft Bozkurt vor, hinter dem Mord am russischen Botschafter Andrej Karlow in der Türkei zu stecken. Nachweise dazu liefert die regierungstreue Zeitung aber keine. Karlow wurde am 19. Dezember 2016 in einer Kunstgalerie in Ankara vor laufenden Kameras von dem Polizisten Mevlüt Mert Altintas erschossen. Der Attentäter hatte nach den Schüssen Slogans wie „Allahu Akhbar”, „vergesst nicht Aleppo” und „vergesst nicht Syrien”, gerufen. Nach dem Anschlag wurde der Polizist seinerseits von Sicherheitskräften erschossen.
Bozkurt berichtet aus seinem schwedischen Exil über die Machenschaften der türkischen Regierung. Auf seiner Plattform Nordic Monitor schreibt der Journalist immer wieder über die Verbindungen von Präsident Recep Tayyip Erdogan und den Mitgliedern seiner AKP-Regierung zur organisierten Kriminalität sowie zu Terrororganisation in Syrien.
Türkischer Geheimdienst MIT plane Provokationen gegen Griechenland
Zuletzt hatte Bozkurt über die Spannungen zwischen der Türkei und Griechenland berichtet. Offenbar versuche Erdogan mithilfe des türkischen Geheimdienstes den Konflikt zwischen den beiden Nachbarstaaten anzuheizen. Laut Bozkurt seien mehrere Sabotageakte auf griechischen Inseln möglich sowie Operationen unter falschen Flagge, die eine türkische Reaktion rechtfertigen sollen. Vor Kurzem hatte Erdogan Griechenland gedroht, „eine Nachts ungeahnt zu kommen“.
Spannungen mit Griechenland aus innenpolitischem Kalkül
Expert:innen sind sich einig, dass Erdogan von inneren Problemen ablenken möchte. Im nächsten Jahr stehen im Land Wahlen an und der türkische Staatschef will mit seiner AKP erneut gewinnen. Die Oppositionspartei CHP hatte angekündigt, Erdogan und auch andere Regierungsmitglieder vor Gericht zu stellen, unter anderem wegen Korruption und Menschenrechtsverstößen.
Journalistenorganisationen empört über Jagd auf Exiljournalisten
Der jüngste Aufmacher der Sabah, in dem erneut ein Exiljournalist zur Zielscheibe erklärt wird, macht den Journalistenorganisationen auch in Deutschland große Sorgen. Sie fordern die europäischen Behörden zu mehr Achtsamkeit auf. Empört zeigt sich auch Paul Eschenhagen vom Deutschen Journalisten Verband (DJV). „Ein weiteres Mal wird ein Journalist im Exil von einem türkischen Regierungsblatt verleumdet, als Ziel markiert und in größte Gefahr gebracht. Das ist bestürzend, hat mit seriösem Journalismus nichts zu tun“, sagte er im Gespräch mit fr.de.
Exiljournalist will sich weiterhin nicht einschüchtern lassen
Exiljournalist Bozkurt äußerte sich der Frankfurter Rundschau gegenüber optimistisch. Er will weitermachen. „Erdogan will uns Journalisten zum Schweigen bringen, wir dürfen und werden aber nicht schweigen“, sagte der Exiljournalist. Und dafür gäbe es gute Gründe. „Erdogan und seine AKP-Regierung ist zu einer großen Gefahr für den Westen geworden. Er arbeitet mit der Mafia zusammen und auch mit Terrororganisationen in Syrien. Jetzt provoziert er auch einen Konflikt mit Griechenland“. Dieses gefährliche Spiel könne nur gestoppt werden, wenn die Öffentlichkeit davon erfahre.
Die Sabah gehört der „Turkuvaz Medya Grubu“. An der Spitze des Konzerns steht Serhat Albayrak, der Bruder von Erdogans Schwiegersohn und Ex-Finanzminister Berat Albayrak. Zu dem Konzern gehören auch mehrere TV-Sender, wie „A Haber“, in der regelmäßig gegen Oppositionelle gehetzt und insbesondere Exiljournalist:innen als Terrorist:innen bezeichnet werden. (Erkan Pehlivan)