„Passau first“ bei Scheuer? Grüne erheben schwere Vorwürfe - Ministerium dementiert entschieden

Im Scheuer-Wahlkreis Passau wurde zuletzt kräftig in Straßen investiert - die Grünen sehen das Ministerium schon als „Selbstbedienungsladen“. Das Ressort dementiert auf Anfrage entschieden.
Berlin - Der Wahlkampf zur Bundestagswahl 2021 tobt heftig - nach den Grünen geraten nun die neuen Umfragespitzenreiter von CDU und CSU* ins Visier: SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz* hatte zuletzt das Thema Lobbyismus als eine offene Flanke der Union ausgemacht. Die Grünen führen nun einen ähnlich gelagerten Vorwurf ins Feld: Klientelpolitik.
Adressat ist Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Der Haushaltsexperte der Grünen-Fraktion, Sven-Christian Kindler, attestierte ihm am Freitag eine „Bayern-First-Politik“ beim Straßenbau: Scheuer habe in seiner Minister-Amtszeit einen warmen Geldregen auf seinen Wahlkreis Passau niedergehen lassen und das Verkehrs-Ressort* zum „Selbstbedienungsladen“ verkommen lassen, lautet Kindlers Vorwurf. Der Grüne verweist auf zuletzt drastisch gestiegene Ausgaben für den Straßenbau in der Region. Das Ministerium sieht das freilich auf Anfrage von Merkur.de* ganz anders.
Scheuer und die CSU in der Kritik: Grüne rügen steigende Straßen-Investitionen im Kreis Passau
Kindler verweist auf eine Anfrage an das Verkehrsressort. Die Dokumente liegen auch Merkur.de* vor - zu lesen ist darin, dass seit 2018, dem Jahr von Scheuers Amtsantritt, 130,3 Millionen Euro in Autobahnen und Bundesstraßen im Kreis Passau* investiert wurden. Und damit nach Ansicht des Grünen überproportional viel: 36,7 Prozent der Investitionen seit 2005 im Landkreis Passau - gut 354 Millionen waren es laut Ministerium insgesamt - seien in diesen Zeitraum gefallen, moniert Kindler.
Der Niedersache setzt die Zahlen in Relation zu einer Region in seinem Heimat-Bundesland: Im Landkreis Gifhorn seien seit 2005 überhaupt nur knapp 72 Millionen Euro in Straßen des Bundes geflossen - Neubauten habe es dabei gar nicht gegeben. Wobei neue Autobahn-Trassen wohl auch nicht im Sinne der Grünen gewesen wären, wie Streitigkeiten in anderen Bundesländern nahelegen.
„Seit Scheuer Bundesverkehrsminister ist, steigen die Gelder für den Straßenbau in seinem Wahlkreis deutlich an. Dreist, dreister, Scheuer“, wetterte der Grünen*-Abgeordnete: „Es ist höchste Zeit, dass Kompetenz und Anstand bei der Auswahl des Bundesverkehrsministers berücksichtigt werden und nicht nur das Vorliegen eines CSU-Parteibuchs das alleinige Besetzungskriterium ist.“
Scheuers Ministerium dementiert Vorwürfe - „klare und akzeptierte Mechanismen“
Das Ministerium weist die Vorwürfe auf Anfrage von Merkur.de* allerdings entschieden zurück. Für die Vergabe der Mittel gebe es klare und von den Ländern akzeptierte Mechanismen, erklärte eine Sprecherin. Grundlage seien etwa der Bedarfsplan, die konkrete Notwendigkeit von Instandhaltungen und der Anteil der Bundesländer am Bundesfernstraßennetz. Eine Rolle spielten zudem auch projektbezogene Zuweisungen.
Den Blick lenkte Scheuers Haus dabei vor allem auf die A94, die im Kreis Passau gebaut wird; seit 2007 seien es drei neue Bauabschnitte gewesen. Tatsächlich entfallen seit 2018 allein 60,8 Millionen Euro auf dieses - in anderen Teilen Bayerns immer noch heftig umstrittene* - Projekt. Beschlossen wurde es freilich bereits vor Scheuers Amtszeit. „Grundsätzlich gilt: Sobald Baurecht für einen Abschnitt vorliegt, wird gebaut“, heißt es aus dem Ministerium.
Abzüglich der Neubauten seien die Ausgaben recht konstant geblieben: „Die Kosten der Um-, Ausbau- und Erhaltungsmaßnahmen sind in den vergangenen Jahren ungefähr auf einem Niveau geblieben. Beispielsweise wurden in den Jahren 2013 bis 2015 rund 63 Millionen Euro in die Bundesfernstraßen investiert“, betonte Scheuers Ressort zugleich.
Grüne schießen gegen Scheuer - nicht der erste Klientelpolitik-Vorwurf
Eine Rolle bei der regionalen Verteilung dürfte zudem spielen, wie viele Bundesstraßen und Autobahnen es überhaupt in den jeweiligen Landkreisen gibt. Der Kreis Gifhorn etwa verfügt nur über einen wenige Kilometer langen Abschnitt der A2 zwischen Braunschweig und Hannover.
Es ist gleichwohl nicht das erste Mal, dass Scheuer in den Verdacht gerät, freigiebig Wohltaten in der Heimat der CSU* zu verteilen: Die bereits längere Zeit zurückliegende Vergabe eines Mobilitätszentrums nach München etwa sorgt weiterhin für Ärger im Osten der Republik: Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) zeigte sich noch im Juni 2021 empört. Und natürlich war die CSU auch schon vor Scheuers Minister-Zeit an den Autobahnplanungen beteiligt: Seit 2009 waren mit Peter Ramsauer, Alexander Dobrindt und schließlich Scheuer stets CSU-Politiker im Ressort am Ruder. (fn) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.