Puigdemont ruft Unabhängigkeitsbefürworter zur Einheit auf

Der von Madrid abgesetzte katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont hat die nach Unabhängigkeit strebenden Kräfte zur Einheit bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Katalonien am 21. Dezember aufgerufen.
Brüssel - Über den Kurzbotschaftendienst Twitter verwies Puigdemont am Samstag von Brüssel aus auf eine Internetpetition zur Bildung einer Einheitsliste. Laut am Sonntag veröffentlichten Umfragen könnten die Unabhängigkeitsbefürworter bei dem Urnengang ihre bisherige absolute Mehrheit einbüßen. "Für alle Demokraten ist der Augenblick gekommen sich zu vereinen. Für Katalonien, für die Freiheit der politischen Gefangenen und die Republik!", twitterte Puigdemont.
Am Vorabend hatte der liberalkonservative Politiker dem belgischen Sender RTBF gesagt, er werde bei der vom spanischen Regierungschef Mariano Rajoy angesetzten Wahl antreten. Den Wahlkampf könne er auch vom Ausland aus betreiben.
Seine Katalanische Europäische Demokratische Partei (Partit Demòcrata Europeu Català, PDeCAT) kündigte am Sonntag an, sie wolle Puigdemont Listenplatz eins geben. Er solle "die große Offensive" für die Wahl im Dezember anführen, sagte PDeCAT-Sprecherin Marta Pascal vor Parteimitgliedern in Barcelona. Die spanische Jusiz hatte am Freitag einen europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont sowie vier seiner ehemaligen Minister ausgestellt, die sich ebenfalls in Belgien aufhalten sollen. Die spanische Justiz wirft Puigdemont und seinen Kabinettsmitgliedern wegen der Ereignisse rund um das Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober Rebellion, Aufruhr und die Veruntreuung öffentlicher Mittel vor.
Bereits am Donnerstag hatte ein Gericht in Madrid acht Mitglieder von Puigdemonts abgesetzter Regierung in Untersuchungshaft genommen, darunter seinen Stellvertreter Oriol Junqueras, der die linksnationalistische Partei Esquerra Republicana de Catalunya (ERC, Republikanische Linke) führt. Rebellion kann in Spanien mit bis zu 30 Jahren Gefängnis bestraft werden, Aufruhr mit bis zu 15 Jahren. Puigdemonts PDeCAT regierte seit 2015 bis zur Absetzung der Regierung am 27. Oktober gemeinsam mit der ERC. Diese ließ zunächst offen, ob sie zur Wahl auf einer Einheitsliste antreten werde.
Die ERC rechnet sich bei der anstehenden Parlamentswahl gute Chancen aus
Die Linkspartei Kandidatur der Volkseinheit (CUP), die im Parlament bisher mit zehn Abgeordneten vertreten war und die Regierung Puigdemont von außen unterstützte, will am kommenden Sonntag entscheiden, ob sie sich an der Wahl beteiligt - und wenn ja in welcher Form. Am Samstagabend machten sich Fans des FC Barcelona beim Heimspiel gegen Sevilla mit Schildern und Bannern für die "Freiheit der politischen Gefangenen" und "Gerechtigkeit" stark. Für Sonntagabend war in Madrid eine Solidaritätsdemonstration vorgesehen. Eine große Kundgebung der Unabhängigkeitsbefürworter soll es am kommenden Samstag in Barcelona geben.
Laut einer Umfrage in der katalanischen Zeitung "La Vanguardia" kann die ERC bei der Parlamentswahl mit einem klaren Sieg rechnen, gefolgt von der liberalen Bürgerpartei Ciudadanos, die ebenso wie die in der Umfrage drittplatzierten Sozialdemokraten PSUC die Unabhängigkeit ablehnen. Die Puigdemont-Partei käme demnach mit 14 oder 15 Sitzen auf den vierten Rang. Auf die drei Unabhängigkeitsparteien entfielen in der Umfrage 66 bis 69 von insgesamt 135 Mandaten. Die absolute Mehrheit liegt bei 68. Die Meinungsumfrage der konservativen Zeitung "La Razón" kommt auf 65 Sitze für die drei Parteien, sieben weniger als bei der Parlamentswahl 2015.
AFP