Baerbock erklärt ihren Visa-Plan – Putins Sprecher droht schon mit Vergeltung
In der EU werden Stimmen laut, die eine Aussetzung der Visa für russische Staatsbürger fordern. In Prag wollen die EU-Außenminister nun das weitere Vorgehen beraten.
Moskau/Prag - Russland hat im Falle einer Visa-Aussetzung für seine Bürger durch die EU vor Vergeltungsmaßnahmen gewarnt. „Das ist eine sehr schwerwiegende Entscheidung, die gegen unsere Bürger getroffen werden könnte, und eine solche Entscheidung kann nicht unbeantwortet bleiben“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Dienstag. Moskau verfolge die Angelegenheit genau. Russland müsse sicherstellen, „dass wir unseren Interessen am besten dienen und die Interessen unserer Bürger schützen“.
Am Dienstag und am Mittwoch treffen sich in Prag die Außenminister der EU-Mitgliedsstaaten. Dabei steht die Diskussion um einen möglichen Visa-Stopp für Russen im Mittelpunkt. Einige Länder in Europa wollen angesichts Moskaus Offensive in der Ukraine keine Visa mehr an russische Touristen ausstellen. Andere Staaten befürworten die eher symbolische Aussetzung eines Abkommens mit Russland, das Visa-Erleichterungen vorsieht. Besonders die baltischen Staaten fordern ein Visa-Verbot für russische Touristen. Die Maßnahme gilt aber als unwahrscheinlich, da sie unter anderem von Deutschland abgelehnt wird.

Visa-Verbot für Russen: Außenministerin Baerbock erklärt ihren Plan
Annalena Baerbock will beim EU-Außenminister-Treffen mit einem Kompromissvorschlag den Streit um einen möglichen Visa-Stopp für russische Bürger lösen. „Ich glaube, dass wir in Prag eine gute Lösung finden können“, sagte Baerbock am Dienstag bei der Kabinettsklausur der Bundesregierung auf Schloss Meseberg. Ihr Vorschlag, nur die Regeln für Visa-Erleichterungen und die Erteilung von Mehrfach-und Mehrjahresvisa auszusetzen, könne dabei „eine gute Brücke“ sein.
Baerbock verwies auf sehr unterschiedliche Interessenslagen in Europa: Es sei „eine komplett andere Situation“, wenn baltische Staaten mit russischen Minderheiten und Grenzen zu Russland Visa ausstellten als wenn Länder dies täten, „die Hauptziel von Sommerreisen gerade auch für russische Staatsbürger sind, die eine sehr, sehr große Nähe zum russischen Regime haben“, sagte die Ministerin.
Visa-Vergabe für EU soll für Russen erschwert werden: Bundesregierung will weiter Ausreise ermöglichen
Für die Bundesregierung sei zudem wichtig, dass auch künftig verfolgten Menschen eine schnelle Ausreise aus Russland ermöglicht werden könne, sagte Baerbock. Sie dürften nicht dafür „bestraft“ werden, dass sie den Mut aufbrächten, „gegen dieses Regime aufzustehen“. Dabei gehe es nicht nur um bekannte Journalisten oder Oppositionelle, sondern auch um „Studierende, die an ihrer Uni den Mut haben, sich anderweitig zu informieren“.
Ziel müsse es deshalb sein, in der EU „unterschiedlichen Sichtweisen zusammenzubringen“ und eine gemeinsame europäische Lösung zu finden, sagte die Grünen-Politikerin. Deutschland liege da mit seinem Kompromissvorschlag „ziemlich in der Mitte zwischen denjenigen, die sagen, es darf gar keine Visa mehr geben und denjenigen, die sagen, wir machen einfach weiter wie bisher“.
Die AfD äußerte sich empört über Baerbocks Vorschlag. Der Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Tino Chrupalla, sagte dazu: „Die Bundesaußenministerin will russische Staatsbürger kollektiv in Haftung für den Ukraine-Krieg nehmen. Wie immer sind es grüne Bundesminister, die eine weitere Eskalation bezwecken.“ Chrupalla weiter: „Grün heißt in der Ampelkoalition freie Fahrt für Krieg. Wie wir sehen, leiden darunter vor allem die Bürger.“
Als Reaktion auf Moskaus Offensive in der Ukraine hatten die EU-Mitgliedsstaaten bereits verschiedene Sanktionen gegen Russland verhängt. Die EU hatte unter anderem Visa-Erleichterungen für russische Delegationen ausgesetzt. Kurzzeitbesucher dürfen jedoch derzeit weiter in die EU einreisen. Die 26 Länder des Schengen-Raums erhielten im vergangenen Jahr drei Millionen Anträge auf Kurzzeitvisa, wozu neben Urlaubsreisen unter anderem auch Studienaufenthalte zählen. Mit 536.000 Anträgen kamen die meisten davon von Russen. (AFP/fmü)