Dass Karl Lauterbach vor allem auf sich selbst zu hören scheint, begrenzt sich nicht auf den Umgang mit Wieler – und offenbar auch nicht auf das Thema Corona. Auch in anderen Bereichen – so ist zu hören – dringen seine Beamten teils schwer zu ihrem Chef durch. Und selbst die Gesundheitsminister der Länder kommen sich in Runden mit ihm manchmal vor wie in einer Vorlesung. Von konkreten Entscheidungen in ihrem Fachbereich erfahren sie hingegen nicht selten erst aus den Medien. Unvergessen bleibt, wie Lauterbach seinen Plan, die Isolationspflicht zu beenden, spätabends in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz zurücknahm – um dann um 2.37 Uhr noch einen Twitter-Beitrag nachzulegen.
Lauterbach scheint überzeugt, vieles besser zu wissen als andere. Er isst selbst kein Salz und weist politische Kollegen, die nach Salamihäppchen greifen, auch mal darauf hin, wie ungesund die sind. So ist er eben, könnte man sagen. In der Gesundheitspolitik ist er seit Jahren zuhause. Hauptsache, die Leistung stimmt.
Doch genau daran häuft sich die Kritik. Länder wie Bayern klagen immer wieder über unkonkrete und schwer umsetzbare Vorgaben aus Lauterbachs Haus. Die Krankenkassen befürchten, dass seine Reformpläne nachhaltigen Schaden anrichten könnten. Und die Stiftung Patientenschutz wirft dem Minister vor, er blende die Probleme der Altenpflege einfach aus.
Dass er sich vor allem als Corona-Minister verstehe, ist ohnehin ein Vorwurf, der Lauterbach begleitet – und den er verlässlich nährt. Die Ständige Impfkommission verbat sich Lauterbachs Einmischungen in ihren Kompetenzbereich zuletzt vehement – der Minister solle „seine Zunge etwas besser im Griff“ behalten, sagte ein Mitglied des Gremiums. Auch dass Lauterbach auf Twitter immer wieder Studien verlinkt und aus Sicht einiger Experten mit teils übereilten Interpretationen versieht, brachte ihm Kritik ein. Zudem stoßen seine manchmal sehr drastischen Warnungen („Killer-Variante“) immer stärker auf Widerspruch. Justizminister Marco Buschmann (FDP) mit dem Lauterbach über Monate gemeinsam an einem neuen Infektionsschutzgesetz für den Herbst gearbeitet hat, warf seinem Kabinettskollegen zuletzt sogar „Panikmache“ vor.
Dass Lauterbach ins Amt kam, hatte er Ende 2021 nicht zuletzt seiner Beliebtheit zu verdanken. Mit den Worten „Er wird es“, kündigte Kanzler Olaf Scholz seinen Gesundheitsminister damals an wie einen Star. Im Januar war Lauterbach im Ranking von Insa gar Deutschlands beliebtester Politiker. Seither ist er zurückgefallen. Zuletzt von Platz sieben auf Platz zehn.
Derweil will Lauterbach mit einem „Pandemie-Radar“ bessere Vorhersagen über neue Coronavirus-Wellen ermöglichen. Doch das eigentliche Ziel könnte verfehlt werden.