„Herrgott nochmal!“ Angst um die Wirtschaft? Ex-CDU-Minister redet sich bei Plasberg in Rage

„Jahrhundert-Dürre – Erleben wir gerade wir gerade unsere Zukunft?“ Die Runde bei „Hart aber fair“ ist sich einig: Der Klimawandel ist dramatisch. Doch was tun?
Berlin – Es geht ausnahmsweise nicht um den Ukraine-Krieg - und das Thema bei „Hart aber fair“ hat es dennoch in sich: „Jahrhundert-Dürre – Erleben wir gerade wir gerade unsere Zukunft?“, fragt Frank Plasberg und lässt Bilder des Po in Italien, des Rheins und der französischen Loire einspielen. Alle Flüsse fast ausgetrocknet.
„Wir nennen das Jahrhundert-Dürre! Passiert das alle 100 Jahre?“, will er von Sven Plöger wissen. Nein, sagt der ARD-Wetterfrosch. Das komme häufiger vor. Die extremen Regenfälle im Sommer 2021 etwa passten nicht in die Wettermodelle. Plöger warnt vor Dürren, die möglicherweise zehn Jahre andauern könnten. „Wir brauchen Landregen“, sagt der Meteorologe. Außer in den Alpen. Denn dort gebe es zur Zeit Hochwasser. Plöger schränkt ein: „Es ist natürlich nicht immer alles Klimawandel. Es gibt auch Wetterlagen, die einfach mal Wetterlagen sind.“ Plasberg ist kurz verunsichert. „Und das jetzt?“ Plöger: „Das ist natürlich Klimawandel.“
„Hart aber fair“: Diese Gäste diskutierten mit Frank Plasberg:
- Sven Plöger (ARD-Meteorologe)
- Carla Reemtsma (Sprecherin Fridays for Future)
- Werner Marnette (Unternehmensberater, Ex-Minister in Schleswig-Holstein, Unternehmer)
- Mona Neubaur (Wirtschafts- und Klimaministerin Nordrhein-Westfalen, Die Grünen)
Plasberg holt die Klimaaktivistin Carla Reemtsma an Bord. „Wenn Menschen frieren, weil sie sich das Gas nicht mehr leisten können, sind das mildernde Umstände bei Ihnen?“ Die Industriellen-Tochter winkt ab: „Definitiv nicht.“ Das Thema der Sendung kontert sie: „Wir erleben gerade unsere Gegenwart, auf die wir reagieren müssen.“ Die Vielfliegerin sieht die Gesellschaft „meilenweit entfernt“ von der Lösung des Problems. Sie hat auf Reisen überall rund um den Globus den Klimawandel erlebt. Und die „Gasumlage“ sei „eine Umverteilung an fossile Klimakiller-Konzerne“.
Grünen-Politikerin Mona Neubaur findet es „wichtig, dass wir zielgenau entlasten, weil der soziale Frieden wichtig ist“. Man müsse „auf dem anderen Gleis in einem Schnellzug ansetzen und die erneuerbaren Energien ausbauen, weil es nur eine Zukunft gibt, auch für unsere Wirtschaft, wenn wir klimaneutral produzieren“. Handwerker und Handwerkerinnen forderten vehement, endlich Zugang zu regenerativen Energien und grünem Wasserstoff zu bekommen, klagt Neubaur.
Wettermann Plöger: „Wir müssen aufhören, uns die Welt schönzureden“
CDU-Mann Werner Marnette sieht große Versäumnisse weltweit. „Es ist ein globales Thema“, stimmt Plöger mit ein: „Wir müssen aufhören, uns die Welt schönzureden.“ An Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) übt Marnette Kritik. Deutschland müsse Russland bis 2030 Geld für Gas bezahlen, das es nicht abnimmt und zusätzlich zu überteuerten Preisen woanders einkauft.
„Herr Habeck reist durch die Welt und erklärt fröhlich, wir kaufen Erdgas zu Höchstpreisen ein“, sagt Marnette. „Da ist überhaupt keine Logik drin.“ Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz müssten gleichwertig behandelt werden. Auch Ex-Kanzler Gerhard Schröder habe nur wegen der Versorgungssicherheit „etwas herumgewurschtelt“. Doch die Versorgungssicherheit und günstige Preise seien nicht alles. Die Versäumnisse kreidet Marnette seiner eigenen Partei, der CDU, an. „Wir sollten alle in Sack und Asche gehen.“
Plasberg lässt weitere Bilder einspielen: Waldbrände in Sachsen und im Grunewald, wo die Polizei aus Versehen Berlins grüne Lunge mit Feuerwerkskörpern in Brand setzte. Plasberg stellt klar: Das „Jahrhundertereignis“ brennender Wälder gab es 1992 schon einmal. Also kein Jahrhundertereignis. Und Feuerexperte Alexander Held verrät im Interview mit einem Augenzwinkern, was die drei Hauptursachen für Waldbrände sind: „Männer, Frauen und Kinder“. Der Mensch müsse achtsamer sein.
Marnette: „Wir setzen auf Sonne und Wind, aber beides ist nur sehr begrenzt verfügbar“
„Was hier gemacht wird, ist doktern am falschen Ende“, kritisiert Marnette. „Wir setzen auf Sonne und Wind, aber beides ist nur sehr begrenzt verfügbar. Wir brauchen immer massenhafte Backup-Energien oder Speicher.“ Die Kernenergie habe bis zu 160 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr eingespart, und damit müsse man sich ideologiefrei auseinandersetzen.
Reemtsma kontert, man könne Deutschlands Industrie und alle Haushalte komplett mit erneuerbaren Energien betreiben. Dazu gebe es Studien. Plasberg will wissen, wann es soweit ist. „2035“, sagt Reemtsma. Und was macht man in den 13 Jahren bis dahin, Kernenergie? „Die Rückkehr zu einer Hochrisiko-Technologie – das ist einfach nur absurd“, sagt Reemtsma. Plöger schlägt in dieselbe Kerbe: Kernspaltung sei hochgefährlich. Und in Frankreich seien momentan die Flüsse viel zu warm zum Kühlen der Atommeiler. „Ich bin es einfach leid“, sagt Neubaur. Man solle nicht „schwadronieren, als wäre Atomkraft die Lösung“.
Plasberg ist gnädig: „Wir haben halt wenig Wind in diesem Sommer“
Marnette erinnert an die explodierenden Strompreise. Windenergie sei keine Alternative für die Grundlast. Aber Plasberg hält dagegen: „Wir haben halt wenig Wind in diesem Sommer.“ Marnette lässt nicht locker: „Wir stehen in Deutschland vor einer gewaltigen ökonomischen Krise. Ich frage mich, wie Sie das verantworten wollen“, meint er. „Wir gefährden durch diese Preisexplosion unsere Wirtschaft und unsere Bürger. Da können wir doch nicht einfach drüber hinweggehen.“ Er wird immer wütender: „Wir müssen die Kohle hochfahren, wir müssen die Kernenergie hochfahren. Herrgott nochmal! Wir stehen vor einem Millionenverlust an Arbeitsplätzen.“
Die Zuschauerkommentare zeigen, wie kontrovers das Thema auch in den Wohnzimmern diskutiert wird. „Solange China Kohlekraftwerke baut, wird das Klima nicht von Deutschland allein zu retten sein“, schreibt ein Zuschauer. Ein anderer klagt: „Unerträglich. Das Milliardärsmädchen Reemtsma tritt megadreist auf, lässt andere nicht ausreden und plappert unreflektiert alles runter, was ins ideologische, grünsozialistische Konzept passt.“ Noch während der Sendung meldet sich auch der stellvertretende FDP-Vorsitzender Alexander Graf Lambsdorff auf Twitter zu Wort: „Finde ‚Hart aber fair‘ heute nicht besonders fair zusammengesetzt. Naja.“
Fazit des „hart aber fair“-Talks
Die Auswahl der Gäste war etwas unglücklich bei dieser Sendung. Wenn sich alle Gäste einig sind, ist eine fundierte Diskussion kaum möglich. Das merkte Frank Plasberg nach wenigen Minuten und bat um Verzeihung für die mangelhafte Struktur. Die nächsten Sendungen zu dem Thema sollen deshalb besonders spannend werden. (Michael Görmann)