Thunberg oder Thünberg? Gretas Name stiftet Verwirrung bei der „Tagesschau“

Wenn es richtig weltgewandt klingen soll, dann wird es im deutschen TV oft ein wenig heikel. Der Versuch, Greta Thunbergs Namen original schwedisch auszusprechen misslang zuletzt häufig. Sogar in der „Tagesschau“.
Update vom 11.10.2019: Greta Thunberg geht überraschend leer aus: Die Favoritin erhält den Friedensnobelpreis nicht
München - Der Hype um Greta Thunberg bringt in zunehmendem Maße auch Medien-Vertreter ins Schwitzen. Nicht immer vorrangig aus inhaltlichen Gründen - in Radio und TV bemühen sich Journalisten dieser Tage vermehrt, den Namen der jungen Klima-Aktivistin korrekt auszusprechen.
„Korrekt“ heißt in diesem Fall offenbar: In schwedischer Aussprache. Oder dem, was in Sachen Skandinavien unbewanderte Menschen dafür halten. Und so wird aus dem eigentlich auch im Deutschen gut ablesbaren Wort „Thunberg“ bisweilen ein etwas gewagter Vokal-Salat.
Greta Thunberg: Nachrichtensprecher auf Abwegen - Twitter-User fordern Besserung
Ausländische Namen so auszusprechen, wie es die Träger derselben selbst tun würden, das ist eigentlich eine Disziplin, in der sich meist Sportreporter üben. Oft erfolglos. Und/oder erst mit größerer Zeitverzögerung. So wurde etwa in den frühen 90ern erst nach einigen gewonnenen Ski-Rennen aus dem Norweger Kjetil-André Aamodt ein „Schetil-Andre Ohmod“. Was der norwegischen Sprachrealität immerhin vergleichsweise nahe kam.
Im Falle Greta Thunbergs scheint sich aber gerade erst ein eher unangenehmes Missverständnis einzubürgern - und das sogar bis hinauf zur „Tagesschau“. Nachrichtensprecher führen gerne eine gewisse „Greta Thühnberg“ ins Feld. Wenn auch gefühlt erst seit ein paar Wochen. Schwedisch ist diese Aussprache aber bestenfalls annäherungsweise. Was einerseits verzeihlich ist, weil die Intonation des Schwedischen zu den größten Herausforderungen der - ansonsten eigentlich für deutsche Muttersprachler recht einfach zu erlernenden - Sprache zählt. Andererseits aber relativ unnötig ist.
Auf Twitter mutierte die deutsche Nachrichtensprecherei mittlerweile sogar zum Aufregerchen. Wenn auch nur einem kleinen. „Vielleicht Aussprache prüfen?“, forderte diese Woche etwa ein - mutmaßlich skandinavischer - User namens Marton Radkai. Andere erteilten erste Tipps.
Greta polarisiert. Wie sehen Sie das? Machen Sie mit und stimmen Sie ab!
Greta Thunberg: „Ü“ oder „U“? Hauptsache kein „G“.
Und wie geht es nun? Richtig ist zwar, dass das lange schwedische „u“ Richtung „ü“ tendiert. Da das deutsche „ü“ aber auch noch recht weit entfernt ist, sind Gelegenheits-Schweden mitunter besser beraten, einfach beim „u“ zu bleiben. Als „gerundeter geschlossener Zentralvokal“ wird der Laut aus dem schwedischen „Thunberg“ in der Phonetik bezeichnet. Das Ü hingegen ist ein „gerundeter geschlossener Vorderzungenvokal“. Etwas vereinfacht gesagt: Der Deutsche spitzt bei seinem „ü“ einfach zu sehr die Lippen.
Ähnliche Fußangeln gibt es für das „e“ in Greta, das im Schwedischen gerne etwas länger gezogen wird; etwa wie ein „Gre‘eta“ - Auch das ist aber eher ein Fall für Fortgeschrittene.
Sehr eindeutig zu erkennen sind des Schwedischen mächtige Sprecher hingegen an einer ganz anderen Stelle des Wortes „Thunberg“. Denn am Ende ist eigentlich kein „g“ zu hören, sondern eher ein „j“. „Thunberj“ müsste es also heißen - übrigens ebenso, wie die Regisseurs-Legende Ingmar Bergman auf Schwedisch „Berjman“ ausgesprochen wird, Tennis-Größe Björn Borg „Björn Borj“ und die zweitgrößte Stadt des Landes nicht etwa „Göteborg“ - sondern „Jöteborj“.
Ein überzogenes „ü“ in den Namen Thunberg zu erfinden ist also ein recht fruchtloser Anlauf in Richtung Schwedisch - zumal, wenn sich die Sprecher eine Silbe später ohnehin wieder als des Schwedischen Unkundige outen.
Greta Thunberg: Ausspracheprobleme schnell behoben - Schweden liebte „Ssssweinsteigerrr“
Die recht amüsante Notiz am Rande: Die Schweden selbst legen eigentlich keine besonders große Motivation an den Tag, wenn es darum geht, Fremd- und Lehnwörter in bestem Duktus oder Originalschreibweise des Herkunftslandes auszusprechen oder -schreiben.
Aus einem Restaurant wird an schwedischen Hausfassaden ein „Restaurang“, (einstige) Fachwörter wie „Computer“ wurden gleich komplett eingeschwedischt (in diesem Fall in das Wort „dator“) - und während der WM 2006 beispielsweise hörte man schwedische Fußballkommentatoren von Bastian „Sssweinssteigerrr“ aus dem fernen „Münschen“ schwärmen. Gestört hat das zwischen Malmö und Luleå aber niemanden. Manchmal mag ein beherztes Reden-wie-der-Schnabel-gewachsen-ist letztlich einfach die eleganteste Lösung sein.
Dieter Nuhr witzelte währenddessen in seiner ARD-Seundung über die Klimaaktivistin und sorgte damit für wütende Kommentare im Netz. Nun verteidigt der Kabarettist seine Kritik an Greta Thunberg im Interview mit Merkur.de*.
Wenig amüsant sind Entwicklungen in einer Facebook-Gruppe - dort wurden zuletzt Morddrohungen gegen Greta Thunberg ausgesprochen. Angela Merkel hat unterdessen einen Shitstorm für ihre Kritik an Thunbergs Rede beim Klimagipfel abbekommen. Niko Kovac hat sich zu Greta Thunberg geäußert. Außerdem der Trainer des deutschen Rekordmeisters FC Bayern München hat außerdem private Einblicke gewährt. Zum Thema seiner Sendung „Nuhr im Ersten“ machte auch Kabarettist Dieter Nuhr die junge Umweltaktivistin - und trat damit eine emotionale Diskussion bei Twitter los.
Gretas ehemalige Lehrerin erzählte indes Details aus Gretas Schulleben.
fn
Der Autor hat zumindest im Nebenfach Skandinavistik studiert und einen Teil seines Studiums in Schweden absolviert - wenn auch im äußersten Süden, der dialektmäßig als Schwedens Äquivalent zu Bayern gelten kann. Über Nuancen in der Aussprache darf also durchaus weiter gestritten werden.
Eine Kurz-"Tagesschau" am Vormittag wird es ab Mitte Oktober nicht mehr geben.