Außenamt: Vorzugbehandlung für Gaddafi-Sohn?

Berlin - Die Bundesregierung hat möglicherweise aus wirtschaftlichen Interessen ihre schützende Hand über den Sohn des früheren libyschen Diktators Muammar al Gaddafi gehalten.
Das Auswärtige Amt habe dem bayerischen Innenministerium nahegelegt, bei der Einreise von Saif al Arab Gaddafi ein Auge zuzudrücken, berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ am Montag. Im Oktober hatte bereits der „Spiegel“ berichtet, die Regierung habe eine Einflussnahme versucht. Der inzwischen gestorbene Saif hatte lange Zeit in München gelebt.
Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete, das Außenministerium habe die Erteilung einer einjährigen Aufenthaltserlaubnis als angemessen bezeichnet, obwohl der Saif al Arab Gaddafi nicht mit den erforderlichen Papieren eingereist war. Der damals 24-Jährige war dem Blatt zufolge 2006 mit einem italienischen Touristenvisum nach München gekommen und hätte sich neue Aufenthaltspapiere besorgen müssen, was er aber nicht tat.
Wie Landesjustizministerin Beate Merk (CSU) auf Anfrage der Grünen im bayerischen Landtag mitgeteilt habe, sei wegen der „erheblichen außenpolitischen und außenwirtschaftlichen Interessen der Bundesrepublik in Libyen“ kein Visumverfahren gegen Gaddafi eingeleitet worden, schrieb die Zeitung.
Außenamt bestätigt Kontakt wegen Immunität
Außenamtssprecher Andreas Peschke erklärte am Montag, der Zeitungsbericht beziehe sich auf ein internes Schreiben aus dem Jahr 2007. Er nehme zu internen Schreiben öffentlich nicht Stellung, zumal, wenn es sich um einen so lange zurückliegenden Fall handele. Er könne aber Kontakte zwischen dem bayerischen Innenministerium und dem Auswärtigen Amt bestätigen.
Dabei sei es um die Frage gegangen, ob Saif al Arab Gaddafi diplomatische Immunität genieße, sagte Peschke. „Die Frage haben wir im Auswärtigen Amt geprüft und den bayerischen Behörden damals zurückgemeldet, dass Saif al Arab keine diplomatische Immunität genießt“. Saif haben zwar einen Diplomatenpass besessen, sei aber auf der libyschen Diplomatenliste nicht angemeldet werden.
Ex-Diktator Gadaffi tot: Lybier feiern ihre Freiheit
Auf die grundsätzliche Frage, ob es Praxis des Außenamts sei, sich in bestimmten Fällen an Behörden von Landesregierungen zu wenden und zu intervenieren, sagte Peschke, er könne nur zu einzelnen Fällen Stellung nehme und werde „keine Verallgemeinerung treffen“.
Deutschland war viele Jahre ein wichtiger Handelspartner Libyens. Libyen war vor dem Umbruch Deutschlands viertwichtigster Erdöllieferant. Die deutschen Investitionen in Libyen flossen schwerpunktmäßig in den Ölsektor. Bei den libyschen Importen stand Deutschland an zweiter Stelle.
Druck auf München
Das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ hatte im Oktober berichtet, sowohl das Auswärtige Amt als auch der Bundesnachrichtendienst (BND) hätten der bayerischen Landesregierung signalisiert, dass allzu intensive Nachforschungen diplomatische Probleme nach sich ziehen könnten. Das Außenamt hatte demnach das Justizministerium in München allein 2010 fünf Mal über die deutsch-libyschen Beziehungen unterrichtet und sich dabei jedes Mal nach den Ermittlungen gegen Gaddafi erkundigt. Die bayerische Behörde sei aufgefordert worden, dem Ministerium Bericht zu erstatten.
Zwischen 2006 und 2010 hatte die Polizei demnach in insgesamt elf Fällen gegen Saif ermittelt, unter anderem wegen Waffenhandels, einer Prügelei, Fahrens ohne Führerschein und Beleidigung von Polizisten; er hatte zeitweilig in der bayerischen Landeshauptstadt studiert.
dapd