EU-Rechtsstaats-Streit: Barley warnt - „Welle ist aus Ungarn und Polen weitergeschwappt“

Das EU-Parlament will die Anwendung des Rechtsstaatsmechanismus‘ gegen Ungarn und Polen einfordern. Katarina Barley sieht anderenfalls große Gefahren für die EU.
Brüssel/München - Vor der geplanten Verabschiedung einer Resolution des Europaparlaments an die EU-Kommission warnt Parlaments-Vizepräsidentin Katarina Barley (SPD) vor einem folgenschweren Scheitern der Rechtsstaatlichkeitspolitik der EU. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyens erklärter Kurs eines Dialogs mit den Regierungen von Ungarn und Polen „funktioniere nicht“, warnte Barley in einem am Dienstag veröffentlichten Interview mit Merkur.de*: „Diesen Dialog gibt es mit Ungarn seit zehn Jahren, mit Polen seit fünf, und es wird immer nur schlimmer.“
Das Parlament will am Mittwoch auf eine fraktionsübergreifende Initiative hin die Kommission verpflichten, den seit Januar geltenden EU-Rechtsstaatsmechanismus gegen Ungarn und Polen* anzuwenden. Den Ländern werden Verstöße gegen Grundwerte der EU etwa auf dem Feld der Justiz oder Medienfreiheit vorgeworfen. Mit Blick auf das bisherige Vorgehen könne man „nicht darauf vertrauen, dass die Kommission handelt und sich kümmert, wenn sie das ankündigt“, begründete Barley den Vorstoß. Die Zeit dränge.
Ungarn und Polen: Barley warnt vor neuen Rechtsstaatsproblemen in der EU - „Welle ist weitergeschwappt“
Einerseits seien etwa Sanktionen der polnischen Regierung gegen Richter und Staatsanwälte, einmal verhängt, nicht mehr zu heilen und die Pressefreiheit in Viktor Orbans* Ungarn bereits massiv eingeschränkt. Andererseits drohe ein Übergreifen von Rechtsstaats-Verstößen auf andere Mitgliedsstaaten. „Diese Welle ist aus Polen und Ungarn weitergeschwappt - auch in Slowenien beispielsweise gibt es massive Probleme“, sagte Barley.
Einen von der deutschen Ratspräsidentschaft mit der Regierung Viktor Orbans ausgehandelten Deal, demzufolge erst ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vor Anwendung des Mechanismus abgewartet werden soll, wollte die SPD-Politikerin als Argument für ein Abwarten nicht gelten lassen. „Wo Einstimmigkeit gilt, gibt es Erpressungspotential - so ist es zum Beispiel beim Haushalt. Das kann aber kein Grund für Untätigkeit mehr sein, weil der notwendige Eigenmittelbeschluss mit allen 27 Ländern mittlerweile gefasst ist“, betonte sie. Die Basis der EU drohe „von innen heraus ausgehöhlt zu werden. Wenn wir gestatten, dass das Fundament von innen ausgehöhlt wird, dann wird diese Europäische Union, wie wir sie kennen, nicht mehr lange Bestand haben“. (fn) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA