Bundestagswahl 2021: Aarbergen bis Zwingenberg – so haben die 422 hessischen Gemeinden gewählt

Die knappsten Rennen, Triumphe, Niederlagen und ein Stimmenpatt: Spannende Details und alle Ergebnisse der Bundestagswahl aus den hessischen Gemeinden.
Frankfurt – Das politische Berlin hat sich nach der Bundestagswahl 2021* kurz geschüttelt und dann sehr schnell in Sondierungsphase begeben, um die Möglichkeiten einer Regierungskoalition auszuloten, die Ergebnisse der 299 Wahlkreise in Deutschland sind analysiert*, die Sitze verteilt, und der Bundestag bereitet sich auf das große Stühlerücken vor. Doch was ist am Wahltag eigentlich vor Ort passiert, in den Städten und Gemeinden Hessens? Hier lohnt ein genauerer Blick.
Die nach Gewinnern eingefärbte Karte mit allen hessischen Gemeinden zeigt ein errötetes Bundesland mit einigen schwarzen Regionen und grünen Tupfen. Dahinter verbergen sich spannende Details: So haben sich in einigen hessischen Gemeinden am Wahlabend wahre Krimis abgespielt – und am Ende gab eine Stimme den Ausschlag. Diese und weitere Erkenntnisse aus unserer Datenanalyse zur Bundestagswahl in Hessen* haben wir weiter unten für Sie zusammengestellt.
Klicken Sie sich in der Karte durch Hessen und entdecken Sie die hessischen Gemeinde-Ergebnisse im Detail. Entscheidend für die Zusammensetzung des Bundestags ist zwar letztlich die Wahlkreisebene. Die kommunale Ebene ist dennoch Basis für unsere neue Darstellung, weil sie ein viel tieferes Bild über die Stimmungsverhältnisse vor Ort ermöglicht. Außerdem gut zu wissen: Wir haben inzwischen wie schon im Jahr 2017 zahlreiche weitere Bundesländer integriert. Da dies wegen dutzender unterschiedlicher Datenquellen und teilweise nicht digitalisierter Ergebnisse sehr aufwändig ist, folgen weitere Bundesländer Schritt für Schritt.
Interaktive Karte: Alle Gemeinde-Ergebnisse der Bundestagswahl 2021 in Hessen
Elf Schlaglichter auf die Bundestagswahl 2021 in Hessen
Die fleißigsten Wählerinnen und Wähler Hessens leben in der Point-Alpha-Gemeinde Rasdorf im Landkreis Fulda nahe der thüringischen Landesgrenze: Stolze 87,4 Prozent machten hier von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Es folgen das ebenfalls in Osthessen gelegene Hofbieber mit 86,4 Prozent sowie Wehrheim im Hochtaunuskreis mit 85,7 Prozent Wahlbeteiligung. Im hessischen Durchschnitt wählten 76,2 Prozent.
Die größte Wahlmüdigkeit im Bundesland herrscht bei dieser Bundestagswahl in Raunheim im Kreis Groß-Gerau: Gerade einmal 64,1 Prozent der Berechtigten konnten sich hier zum Wählen aufraffen. Die zweitniedrigste Wahlbeteiligung gab es mit 67,5 Prozent in der Stadt Offenbach. Auch in der Vergangenheit war sie hier mau ausgefallen, zuletzt bei der Kommunalwahl im März 2021, als in Offenbach 35,5 Prozent an der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung teilnahmen. Weitere Kommunen im Rhein-Main-Gebiet mit niedriger Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl 2021 sind Hanau (68), Rüsselsheim (68,6) und Dietzenbach (69,1).
Am wenigsten zu zählen hatten die Wahlhelferinnen in Schwarzenborn im Knüll: Von 804 Wahlberechtigten* (der niedrigsten Zahl in ganz Hessen) gingen 599 zur Wahl (74,5 Prozent). Kaum mehr Wahlberechtigte leben derzeit im nordhessischen Weißenborn, hier machten von 664 von 812 von ihrem Wahlrecht Gebrauch (74,4 Prozent).
Die meisten ungültigen Stimmzettel: Im Schnitt zählten die Wahlhelfer in Hessen einen Anteil von 1,4 Prozent ungültiger Erststimmen und 1,2 Prozent ungültiger Zweitstimmen. Die Werte in Oberaula im Schwalm-Eder-Kreis liegen mit 4,8 Prozent der Erst- und 4,7 Prozent der abgegebenen Zweitstimmen deutlich darüber – Rekord in Hessen. Mehr als 3 Prozent ungültiger Stimmzettel registrierten die Wahlhelferinnen außerdem in Neuenstein (3,7 Prozent bei Erststimmen, 3,8 Prozent bei Zweitstimmen) und Biebertal (3,7 bei Erststimmen, 3,5 bei Zweitstimmen) sowie bei den Erststimmen in Grasellenbach (3,3) und bei den Zweitstimmen in Rosenthal (3,2) und Frankenau (3).
Bundestagswahl 2021: Foto-Finish in Lautertal (Odenwald), Bad Orb und Eschenburg
Die engsten Rennen: Knapper geht‘s nicht – nur 1 Stimme trennte den Direktkandidaten der SPD* für den Wahlkreis Bergstraße , Sven Wingerter, in Lautertal (Odenwald) von seinem CDU-Konkurrenten Michael Meister. Für Wingerter entschieden sich in der südhessischen Gemeinde 1330 Personen (30,17 Prozent), für Meister 1329 (30,15 Prozent). Den Wahlkreis 188 konnte am Ende der Christdemokrat mit 30,5 Prozent für sich entscheiden.
In zwei hessischen Gemeinden kam es auch bei den Zweitstimmen zum Foto-Finish. Sowohl in Bad Orb (Main-Kinzig-Kreis) als auch in Eschenburg im Lahn-Dill-Kreis verbuchte die CDU* am Ende nur eine Stimme mehr als die SPD. In Zahlen: In Eschenburg wählten 1511 Personen (26,92 Prozent) die CDU, 1510 (26,90 Prozent) die SPD; in Bad Orb machten 1466 Menschen (27,34 Prozent) ihr Kreuzchen bei den Christdemokraten, 1465 (27,32 Prozent) gaben ihre Zweitstimme den Sozialdemokraten.
Der deutlichste Sieg: Den hessenweit größten Vorsprung im Kampf um das Direktmandat schaffte der CDU-Politiker Michael Brand in Rasdorf: Er erreichte in dieser Gemeinde 50,5 Prozent – 34,7 Prozent mehr als die zweitplatzierte Bewerberin Birgit Kömpel von der SPD, die in Rasdorf 15,8 Prozent der Erststimmen bekam. Im Wahlkreis 174 (Fulda) kam Brand am Ende auf 38,1 Prozent der Stimmen.
Die meiste Zustimmung in einer hessischen Gemeinde bekam indes ein anderer Direktkandidat: Michael Roth, nordhessischer Bundestagsabgeordneter, Beauftragter der Bundesregierung für deutsch-französische Zusammenarbeit und im Jahr 2019 unterlegener Bewerber um den SPD-Parteivorsitz, holte in seiner Heimatstadt Heringen (Werra) im Landkreis Hersfeld-Rotenburg 54,2 Prozent der Erststimmen. Den zugehörigen Wahlkreis 167 gewann Roth deutlich mit 43,7 Prozent.
Stimmenpatt: Im nordhessischen Schauenburg erreichten AfD* und FDP* jeweils 585 Erststimmen – das sind 8,7 Prozent der 6467 gültigen Stimmen. Die Direktkandidierenden beider Parteien teilen sich hier Rang 4.
Die meisten Gemeinden in Hessen nach Erststimmen konnte die SPD gewinnen – 272 an der Zahl. Die CDU holte den Direktwahl-Sieg in 149 hessischen Kommunen, die Grünen hatten in Darmstadt die Nase vorn.
Die Tops und Flops der Parteien bei den Zweitstimmen: Nenterhausen im Landkreis Hersfeld-Rotenburg beschert der SPD den höchsten Sieg mit 47,6 Prozent, Poppenhausen an der Wasserkuppe die größte Niederlage mit 14,7 Prozent. Die CDU holt in Antrifttal (Vogelsbergkreis) mit 43,4 Prozent ihre höchsten Zweistimmen-Anteil hessenweit, in Söhrewald (Landkreis Kassel) muss sie sich mit 14,6 Prozent begnügen. Die Grünen* erreichen ihr beste Zweistimmen-Ergebnis in Darmstadt (28,8 Prozent), während sie in Heringen (Werra) und Philippsthal (Werra) jeweils nur auf 4,5 Prozent kommen. In Königstein im Taunus kommt die FDP auf ihren besten Wert: 23,5 Prozent gaben den Liberalen dort die Zweitstimme. Am anderen Ende der Skala liegt Neu-Eichenberg im Werra-Meißner-Kreis, wo sich 5,8 Prozent für die FDP erwärmen konnten. Die AfD hat ihre Hochburg in der drittkleinsten Gemeinde Hessens, Cornberg im Landkreis Hersfeld-Rotenburg (21,3 Prozent); die Universitätsstadt Marburg zeigt der rechten Partei die kalte Schuler: 4,6 Prozent, das niedrigste Zweitstimmen-Ergebnis für die AfD in Hessen. Die Linke* wiederum findet in Marburg die größte Wählerschaft: 10,3 Prozent erreicht sie hier. Marginal bleibt sie im osthessischen Nüsttal im Landkreis Fulda mit 1,3 Prozent.
Die stärksten „Sonstigen“: Jenseits der im Bundestag vertretenen Parteien bewarben sich in Hessen 17 weitere politische Gruppierungen und Parteien um die Zweitstimmen der Wählerinnen und Wähler. In der südhessischen Gemeinde Schaafheim (Landkreis Darmstadt-Dieburg) hatten sie den größten Zuspruch: 12,9 Prozent entfallen hier auf „Sonstige“, wobei allein 4,3 Prozent an die Freien Wähler gehen. Mit 4,9 Prozent den hessenweit kleinsten Anteil erreichen die „Sonstigen“ in der 2300-Seelen-Gemeinde Ronshausen im Nordosten Hessens.
Transparenz: Unsere Daten, Quellen und Methoden
Alle Wahlergebnisse in unseren interaktiven Karten stammen aus offiziellen Quellen. Wir erfassen, vereinheitlichen und bereiten diese für Sie auf. In Bayern haben wir dafür eine Reihe verschiedener Datenzugänge genutzt. Darunter sind Ergebnis-Websiten der einzelnen Kommunen, Votemanager- und Elect-Datenangebote und weitere mehr. Gerade in Bayern lagen viele Ergebnisse nicht digital vor. Wir haben sie in diesem Fall vor Ort bei der jeweiligen Kommune recherchiert. Wichtig zu wissen: Wo die Handhabung bekannt ist, haben wir dies in der interaktiven Karte markiert. Ebenso könnte es vorkommen, dass ein einzelnes Ergebnis einmal nicht vollständig korrekt hinterlegt ist. In diesem Falle freuen wir uns über einen kurzen Hinweis. Außerdem relevant bei Gemeinde-Ergebnissen: Nicht alle Gemeinden integrieren Briefwahlstimmen in ihr ausgewiesenes Ergebnis oder haben einen eigenen Briefwahlbezirk. Im Einzelfall kann es also zu nicht vergleichbaren Ergebnissen kommen.
(Monika Gemmer) *fr.de ist ein Angebot in IPPEN.MEDIA.