Vor Ort fanden die Polizisten eine „stark blutende und leblose Frau“ vor. Nach bisherigen Erkenntnissen der Ermittler hatte der mutmaßliche Täter die 37-Jährige mit „einem scharfkantigen Gegenstand“, wohl einem Messer, tödlich verletzt. Noch am Tatabend hatte die Polizei die Feldstraße abgesperrt. Anwohner, die zum Tatort gekommen waren, wurden von den Beamten in ihre Häuser und Wohnung zurückgeschickt, wie Augenzeugen auf Nachfrage berichteten.
Über die betroffene Familie ist von offizieller Seite bisher nur wenig bekannt geworden. Unbestätigten Informationen zufolge soll sich der mutmaßliche Täter jedoch bis kurz vor dem Angriff in psychiatrischer Behandlung befunden haben.
Haunetals Bürgermeister Timo Lübeck zeigte sich gestern bestürzt über die Gewalttat in seiner Gemeinde. Das Rathaus liegt nur wenige hundert Meter vom Tatort entfernt. „Wir sind erschrocken, traurig und aufgewühlt über das schreckliche Ereignis vom gestrigen Tag“, sagte Lübeck. Gleichzeitig wolle er jedoch die Ergebnisse der Ermittlungen abwarten und keine Vermutungen anstellen. „Man kann gar nicht richtig glauben, dass eine solche Tat hier bei uns im Dorf geschehen ist. Über die Hintergründe für diese offensichtliche Familientragödie möchte ich nicht spekulieren.“ Man solle jetzt Polizei und Justiz ihre Arbeit machen lassen, so der Bürgermeister. Lübeck sprach den Angehörigen sein Beileid aus: „Unsere Gedanken sind bei dem Opfer und allen, die um sie trauern.“
Einen Tag nach dem Tötungsdelikt in Haunetal-Neukirchen, bei dem am Mittwoch ein 20-Jähriger mutmaßlich die Freundin seines Vaters mit Messerstichen getötet hat, ist am Tatort, in der Feldstraße, kaum noch etwas von der blutigen Tat am Vorabend zu sehen.
Nur ein Absperrband der Polizei liegt noch auf dem Weg, den der mutmaßliche Täter blutverschmiert nach seiner Tat entlanggelaufen sein könnte. Auf dem gepflasterten Weg führen Blutspritzer vom Haus auf die Straße. Die Frau soll im Inneren des Hauses angegriffen und unbestätigten Informationen zufolge auch verstorben sein.
Den Polizeieinsatz haben auch einige Nachbarn verfolgt. Einer von ihnen ist Michael Müller, der von seinen Erlebnissen erzählt. „Zuerst fuhr ein Streifenwagen der Polizei vor, dann wurden es immer mehr. Auch Krankenwagen und Notarzt kamen hinzu“, erzählt Müller, dessen Grundstück an das der betroffenen Familie angrenzt.
Gegen 18.30 Uhr seien die ersten Polizisten eingetroffen. „Überall war Blaulicht und die Straße wurde hektisch mit einem Flatterband abgesperrt. Wir wussten nicht, was los war. Es war ein großes Tohuwabohu.“
Müller und seine Frau wohnen in unmittelbarer Nähe zum Tatort, die Einsatzkräfte hielten direkt vor ihrer Haustür. „Als wir aus unserem Haus herauskamen, um zu schauen, was los ist, wurden wir von der Polizei angewiesen, direkt wieder hineinzugehen“, sagt Müller.
Gegen 20 Uhr seien die meisten der Einsatzfahrzeuge schon wieder abgerückt, so Müller. Um etwa 21.30 Uhr wäre alles vorbei gewesen. Angst während dem Polizeieinsatz habe er nicht gehabt, da er keine Schusswaffe gehört habe und „genügend Polizisten vor Ort waren,“ sagt Müller.
Eine Nachbarin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, berichtet, dass die betroffene Familie – Sohn, Vater und dessen Lebensgefährtin – unauffällige Nachbarn gewesen seien. „Die lebten sehr zurückgezogen“, sagt die Frau. Sie selbst habe das viele Blaulicht am Tatabend zwar noch bemerkt, sich aber nichts Schlimmes dabei gedacht. Erst nachdem die ersten Meldungen über das Internet eingingen, habe sie erfahren, was da in ihrer Nachbarschaft passiert war.
Hatte es doch vorher nie Anhaltspunkte für Gewalt oder Aggressionen in der Familie gegeben, versichert die Frau. „Wir haben nie Streit gehört und wenn die Leute mit ihren Hunden unterwegs waren, haben sie immer freundlich gegrüßt“, sagt die Nachbarin. Sie habe die Familie häufiger bei deren gemeinsamen Spaziergängen mit den Schäferhunden gesehen.
Dass so ein schweres Verbrechen in direkter Nachbarschaft passiert, bestürzt auch die junge Frau. „Es ist erschreckend, dass so etwas hier passiert. Vor allem in einem Dorf, wo sich doch jeder kennt.“ Sie versuche trotzdem, die Ereignisse nicht zu nah an sich heranzulassen, aber habe sich schon den Kopf über die Tat zerbrochen. „Da macht man sich schon Gedanken, ob man es hätte kommen sehen. Ob es Anzeichen gab. Aber, nein“, sagt sie und schüttelt den Kopf.
Auch ein Paketzusteller, der gerade in der Feldstraße unterwegs ist, berichtet, dass die Familie nie negativ aufgefallen sei. Er habe sie als stets freundlich, gepflegt und „ganz normal“ wahrgenommen. Einen Streit habe er nie mitbekommen.
So geräuschlos wie das Familienleben, scheint auch der tödliche Angriff vom Mittwoch an einigen Anwohnern vorbeigegangen zu sein. Timo Schadt, der in derselben Straße wohnt und am späten Mittwochabend, wenige Hundert Meter vom Tatort entfernt, noch in seinem Büro gesessen hat, berichtet, nichts mitbekommen zu haben. Nicht einmal die Hunde hätten angeschlagen.
Stephan Hundt, dessen Apotheke nur 50 Meter vom Tatort entfernt liegt, spaziert an der Feldstraße vorbei und erzählt, dass er online von der Tat gelesen hat. Bei den Kunden in der Apotheke seien die Ereignisse von Mittwochabend jedoch bisher kein Gesprächsthema. Die wenigsten würden sich online sofort über einen solchen Fall informieren, erklärt sich der Apotheker das fehlende Interesse. Hundt selbst hätte eine solche Tat in Neukirchen nicht erwartet. „Wer rechnet schon mit so etwas.“ Doch nicht zum ersten Mal haben die Haunetaler es mit einem Kriminalfall in ihrer Gemeinde zu tun. Der Apotheker erinnert sich noch gut an den Fund einer Leiche, die vor vielen Jahren in Haunetal aufgetaucht war.
Seit Mittwochabend müssen die Haunetaler aber nun mit einem neuen Verbrechen in den beschaulichen Straßen von Neukirchen leben. Über die Hintergründe der Tat ist noch nichts weiter bekannt. Gerüchte über einen Streit, bei dem es um Geld gegangen sein soll, machen aber schon jetzt die Runde.
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