1. Hersfelder Zeitung
  2. Lokales
  3. Kreisteil Rotenburg

Rotenburger Heiko Licht will Selbsthilfegruppe für Gehörlose und Schwerhörige gründen

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Christopher Ziermann

Kommentare

Der kleine schwarze Sprachprozessor haftet mithilfe eines Magneten am Kopf hinter dem rechten Ohr von Heiko Licht. So kann er trotz seiner vollständigen Ertaubung auf dem Ohr hören.
Der kleine schwarze Sprachprozessor haftet mithilfe eines Magneten am Kopf hinter dem rechten Ohr von Heiko Licht. So kann er trotz seiner vollständigen Ertaubung auf dem Ohr hören. © Christopher Ziermann

Der Rotenburger Heiko Licht möchte ein Angebot schaffen, für das man derzeit aus Waldhessen bis nach Kassel oder Künzell südlich von Fulda fahren muss.

Rotenburg – Er plant eine Selbsthilfegruppe für ertaubte und schwerhörige Menschen und ihre Angehörigen. Der Fokus liegt dabei unter anderem auf dem Austausch über sogenannte Cochlea-Implantate – eine Hörprothese für Personen, bei denen ein Hörgerät nicht mehr ausreicht. Der 49-Jährige ist seit dem Grundschulalter schwerhörig. Eine Herausforderung im Alltag ist dabei zum Beispiel, dass selbst bei den immer moderneren Hörgeräten und Implantaten die Problematik der Hintergrundgeräusche bestehen bleibt – etwa bei großen Menschenansammlungen. „Diese Geräuschkulisse ist enorm anstrengend“, sagt Licht. Daher könne es zu sozialem Rückzug kommen. Diesem Risiko könne man sich im geschützten Rahmen einer Selbsthilfegruppe gemeinsam stellen.

Das rechte Ohr von Heiko Licht ist mittlerweile gänzlich taub. Deswegen hat er sich im September 2022 operieren lassen. Er hat seitdem ein Cochlea-Implantat (CI). Cochlea ist der lateinische Begriff für Hörschnecke. Die Härchen, die im Innenohr für das Hören unerlässlich sind, liegen bei Heiko Licht im rechten Ohr flach, sind nicht mehr funktionsfähig. Das CI übernimmt die Funktion.

Von außen sichtbar ist nur ein kleiner schwarzer Sprachprozessor mit Mikrofon, der den Schall aufnimmt und an seinem Kopf hinter dem Ohr haftet – mithilfe eines Magneten. Der andere Magnet sitzt mit einer Empfangsspule, einem Stimulator und einem Elektrodenträger unter seiner Schädeldecke. Wo vorher die Härchen die Schallinformationen an das Gehirn übermittelt haben, tun das nun Elektronen.

Mit dem deutlich sichtbaren schwarzen Utensil am Kopf geht laut Licht durchaus auch ein Stigma einher. „Wer sich fragt, was das ist, sollte mich am besten einfach ansprechen“, sagt er. Die Operation am Gehirn ist die einzige Option für Menschen, bei denen ein Hörgerät nicht mehr ausreicht. Neben der eigentlichen OP sind damit auch andere Ängste verbunden. Während Schwerhörige zum Beispiel in der Nacht lautes Klopfen und das Telefon noch vernehmen, ist die Hörfähigkeit bei den Implantaten bei null, wenn sie zum Schlafen abgelegt werden.

Zur Person

Heiko Licht (49) wurde 1973 in Rotenburg geboren und leidet seit dem Grundschulalter an Schwerhörigkeit. Nach dem Realschulabschluss in Bebra machte er eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker und arbeitete dann in diesem Beruf, einige Jahre später folgte eine Weiterbildung zum Bürokaufmann. Licht lebt in Rotenburg, ist ledig und verbringt seine Freizeit unter anderem mit Lesen und Fahrradfahren – vornehmlich Dinge, die man in einer ruhigen Umgebung machen kann.

„Die Entscheidung für die Operation hat mich viel Überwindung gekostet. Das ist bei vielen so. Bei der OP geht es um Millimeterarbeit mit einer Sonde, die zwischen den Geschmacks- und den Gesichtsnerven hindurchgeführt werden muss – da ist die Angst davor, dass etwas schief geht, natürlich groß“, erklärt Heiko Licht. Sein HNO-Arzt habe ihm die Operation schon vor zehn Jahren empfohlen, doch lange Zeit war der Rotenburger dafür noch nicht bereit. „Ich habe dann sehr viel gelesen und viel recherchiert. Es wäre sehr hilfreich, wenn man dabei nicht nur seinen Arzt und das Internet als Ratgeber hat, sondern sich mit Betroffenen austauschen kann.“

Seine Bedenken legten sich vor allem wegen der fortgeschrittenen Technik bei dem Eingriff, der auch schon vor der Jahrtausendwende praktiziert wurde. „Das Risiko, dass heute noch etwas schief geht, ist verschwindend gering“, sagt Licht. Es geht aber auch um das, was nach der OP nötig ist. Das Hören über die Elektronen statt die körpereigenen Härchen muss das Gehirn erst mit monatelanger logopädischer Unterstützung lernen.

Kennenlernen am 30. und 31. März in Bad Hersfeld

Seiner Selbsthilfegruppe möchte der 49-Jährige den Namen „Fo(h)rum“ geben. Sie richtet sich an Menschen aus dem gesamten Kreis Hersfeld-Rotenburg, aber auch darüber hinaus – auch in den Kreisen Schwalm-Eder und Werra-Meißner gibt es bislang kein solches Angebot. Am Donnerstag und Freitag, 30. und 31. März, steht er zwischen 10 und 15 Uhr vor der C&A-Filiale in der Bad Hersfelder Innenstadt für ein erstes persönliches Kennenlernen zur Verfügung. Ein CI-Hersteller, der dort wirbt, hat ihn eingeladen, seine Erfahrungen als Hörpate zu teilen. Die Gelegenheit möchte Licht nun nutzen, um vor allem nach Interessenten für die Gründung einer Selbsthilfegruppe zu suchen. Die ist von dem Implantat-Hersteller unabhängig, betont Licht.

Die Unabhängigkeit, auch von Institutionen, ist ihm wichtig – eine frühere Selbsthilfegruppe, die nach der Corona-Zeit nicht wieder zusammenkam, war am Klinikum angesiedelt. Für die Gruppe ist er außerdem auf der Suche nach geeigneten Räumen – ob in Bad Hersfeld oder Rotenburg, das möchte er auch davon abhängig machen, von wo die meisten Interessenten kommen. Neben dem Info-Stand in Bad Hersfeld kann man sich auch direkt an Heiko Licht wenden. (Christopher Ziermann)

Kontakt: fohrum@gmx.de, per Whatsapp und wenn es möglich ist auch per Anruf unter Tel. 01520/3078513.

Auch interessant

Kommentare