Höchststrafe oder Freispruch: Plädoyers im Totschlags-Prozess

Fulda/Lispenhausen. 14 Jahre Haft fordert der Staatsanwalt im Totschlags-Prozess von Lispenhausen. Freispruch beantragt der Verteidiger des angeklagten Ex-Mannes.
Keine Zweifel hat Staatsanwalt Andreas Hellmich, dass es der 37-jährige Ex-Mann war, der am 17. Oktober 2017 die 33 Jahre alte Mutter seiner Kinder in Lispenhausen erwürgte oder erdrosselte und anschließend versuchte, die Tat zu vertuschen, indem er Feuer legte. Für den Totschlag und die schwere Brandstiftung beantragte er am Ende eines seit Juli 2018 laufenden Indizienprozesses eine Freiheitsstrafe von 14 Jahren.
Die Anwälte der Nebenkläger, der Eltern und der Schwester der Getöteten, gingen sogar noch darüber hinaus. Dr. Frederic Raue und Sascha Bokhari forderten sogar 15 Jahre.
Staatsanwalt und Nebenklagevertreter beriefen sich zum einen auf die Auswertung der Handydaten, die ihrer Meinung nach die Anwesenheit des Angeklagten am Tatort zur Tatzeit nachweisen, zum anderen auf die Tatsache, dass das Motiv des Ex-Mannes zwar kein sehr starkes, aber doch das einzig vorhandene sei. Zulasten des Angeklagten werteten sie auch die Tatsache, dass seine DNA unter den Fingernägeln des Opfers gefunden wurde, wo sie laut Gutachter nicht durch einen zufälligen Kontakt hingekommen sein kann, und nicht zuletzt, dass der Angeklagte zunächst der Polizei gegenüber verschwiegen hatte, dass er unmittelbar vor ihrem Tod bei seiner Ex-Frau war.
Ganz anders bewerte Verteidiger Harald Ermel die vorgelegten Indizien. Sein Ansatzpunkt sind mögliche Ungenauigkeiten bei der Aufzeichnung der Geo-Daten. Nach seiner Interpretation gibt es eine Lücke von 17 Minuten – Zeit genug für einen Unbekannten, die Tat zu begehen. Ermel beantragte Freispruch. „Ich habe sie nicht getötet“, versicherte der Angeklagte, der lediglich verbale Entgleisungen einräumte, unter Tränen.
Viele Fragen teilweise ungeklärt
Wie zuverlässig sind Handydaten? War die Tür zur Wohnung der Getöteten abgeschlossen oder nicht, und wie viele Schlüssel zu der Wohnung gab es? Wie lange dauert es, bis ein Schwelbrand soviel Rauch und Hitze entwickelt, dass ein Treppenhaus verqualmt ist und ein Rolladengurt schmilzt? Verfolgt ein Suchhund, ein sogenannter Mantrailer, wirklich zuverlässig alle menschlichen Geruchsspuren oder lässt er sich vom Gestank einer gelöschten Brandstelle abhalten? Warum hat der Angeklagte, ein IT-Fachmann, wenn er den schuldig ist, nicht versucht, nach der Tat die belastenden Handydaten zu löschen beziehungsweise zu manipulieren? Und nicht zuletzt: Wer ist der Mann mit der Kapuze, den ein Zeuge kurz nach Ausbruch des Feuers, in der Nähe der Wohnung gesehen hat?
Fragen über Fragen, die nach Ansicht von Verteidiger Harald Ermel auch nach der Befragung zahlreicher Zeugen und Gutachter teilweise ungeklärt sind und deshalb eine Verurteilung seines Mandanten nicht zulassen. Punkt für Punkt hatten dagegen zuvor Staatsanwalt Andreas Hellmich sowie die beiden Vertreter der Familienangehörigen, die als Nebenkläger auftraten, argumentiert, warum es ihrer Meinung nach keine Zweifel an der Schuld des Angeklagten geben kann. Vor allem stellte er die zeitlichen Abläufe, die der Angeklagte geschildert hatte, in Frage und sah sie durch die Auswertung der Handydaten widerlegt.
Seiner Überzeugung nach war der Angeklagte zur Tatzeit am Tatort. Dort seien, so Hellmich, der Angeklagte und seine Ex-Frau in Streit geraten und der sei eskaliert, sodass der inzwischen 37-Jährige auf die Mutter seiner Kinder losgegangen sei und sie erwürgt habe. Als die 33-Jährige sich wehrte, habe sie ihn gekratzt und so sei seine DNA unter ihre Fingernägel gekommen. Das korrespondiere mit Hautverletzungen, die der Gutachter beim Angeklagten feststellte. „Es gibt keine Hinweise auf eine dritte Person“, stellte Hellmich fest. Die hätte ohnehin nur etwa 15 Minuten Zeit gehabt, um in die Wohnung zu kommen, mit der Frau in Streit zu geraten, sie zu töten und dann das Feuer zu legen. Sowohl Hellmich als auch die Anwälte der Nebenkläger räumen ein, dass der genaue Tatablauf ohne Aussage des Täters nicht zu rekonstruieren sei.
Dr. Frederic Raue hat jedoch bei der Überprüfung der Korrespondenz des Angeklagten mit der Getöteten auf dem Handy Anzeichen von Eifersucht, Kontrollsucht, Unterlegenheitsgefühlen und verbaler Aggression gefunden, die auch körperliche Gewalt als möglich erscheinen lassen. Der Angeklagte folgte der Verhandlung aufmerksam, teilweise kopfschüttelnd. Tränen kamen ihm, als die seelische Not seiner Tochter geschildert wurde.
Das Urteil soll am Montag verkündet werden. (zac)
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