Alternative zur Küken-Tötung: Geflügelhof Häde setzt auf Zweinutzungshühner

Heinebach. Bis zu 50 Millionen männliche Küken werden in Deutschland jedes Jahr direkt nach dem Schlüpfen getötet, weil sie keine Eier legen und kaum Fleisch liefern. Der Mustergeflügelhof Leonhard Häde setzt jetzt auf Zweinutzungshühner, bei denen sich auch die Aufzucht der Hähne lohnen soll.
Eine Handvoll Körnerfutter – mehr braucht Fabian Häde nicht, um der gefiederten Schar ein aufgeregt-freudiges Gackern zu entlocken.
Rund 37 000 Biohühner hält der Mustergeflügelhof im Alheimer Ortsteil Heinebach – in Ställen mit überdachter Außenterrasse und großzügigen Außengehegen. Picken, scharren, Eier legen – auf den ersten Blick gleichen die 2300 Legehennen, die Ende August geschlüpft sind, ihren Artgenossinnen. Dennoch gibt es einen entscheidenden Unterschied: Ihre Brüder durften länger leben. Moderne Hühnerrassen wurden entweder für schnelles Wachstum oder für eine hohe Legeleistung gezüchtet. Da die männlichen Tiere der Legerassen kaum Fleisch ansetzen, werden sie meist direkt nach dem Schlüpfen getötet – auch in der Bio-Landwirtschaft.
Erklärvideo des Mustergeflügelhofs Häde
Ethisch sei das ein zweischneidiges Schwert, verdeutlicht Fabian Häde: Einerseits stoße diese Praxis in der Gesellschaft auf zunehmende Kritik. Die männlichen Tiere bei hohem Futterverbrauch und geringem Fleischertrag großzuziehen, sei aber ebenfalls wenig nachhaltig. Bei den Hochleistungs-Legerassen mache die Hähnchen-Aufzucht deshalb keinen Sinn, ist der studierte Öko-Agrarmanager überzeugt.
Video: Haltung von Zweinutzungshühnern
Der Geflügelhof setzt deshalb auf sogenannte Zweinutzungshühner, die sowohl Eier als auch Fleisch liefern. Tierwohl, regionale Wertschöpfung, Geschmack und Qualität – es gehe um einen ganzheitlichen Ansatz, betont Häde. Das Projekt und die zugehörige Internetseite hat er deshalb mit dem Slogan „‘ne runde Sache“ überschrieben. Der Heinebacher Geflügelhof sei schon immer Vorreiter gewesen, unterstreicht Hädes Vater Leonhard. Firmengründer Leonhard senior habe 1927 das Potenzial der Geflügelhaltung erkannt, bereits in den 1970er Jahren waren Hädes Pioniere in Sachen Bio. Jetzt besinnt sich der Betrieb zurück auf die Zeit, in der Hühner auf den Bauernhöfen sowohl als Eier- als auch als Fleischlieferanten gehalten wurden. Die Tiere, die der Geflügelhof als frisch geschlüpfte Küken von einer Bio-Brüterei erhalten hat, seien Gebrauchskreuzungen der Rassen White Rock und Rengolshäuser Bresse. In den ersten vier Wochen wurden Hähne und Hennen gemeinsam aufgezogen. „Wegen unterschiedlicher Richtlinien für die Mastgeflügel und Junghennen haben wir die Hähne in der vierten Woche herausgefangen“, erklärt Fabian Häde. Die männlichen Tiere zogen in den Legehennenstall. Nach etwa 100 Tagen waren sie schlachtreif – rechtzeitig, bevor der Platz dort für ihre legereifen Schwestern benötigt wurde.
Video: Hier werden die Zweinutzungshühner gezüchtet
Im Vergleich zu Hochleistungshennen seien die Zweinutzungshühner besser an die Haltungsbedingungen der Bio-Landwirtschaft angepasst. Fabian und Leonhard Häde haben bereits festgestellt, dass die Tiere von den Auslaufmöglichkeiten mehr Gebrauch machen als ihre Artgenossen. Dass bei der Zucht auf alte Rassen zurückgegriffen wurde, sorgt zudem für ein bunteres Federkleid: Neben weißen und braunen sind auch gesprenkelte Hühner dabei. „Unter den 2300 Hennen war sogar eine ganz schwarze“, freut sich Fabian Häde.

Produkte ab Montag im Handel
Schrittweise sollen auf dem Geflügelhof Häde weitere Zweinutzungshühner in die Ställe einziehen. Der weitere Verlauf des Projekts hänge letztendlich von der Akzeptanz beim Verbraucher ab, verdeutlichen die Landwirte. Zweinutzungshühner liefern weniger Eier als reine Legerassen und weniger Fleisch als reine Masthähnchen. Dieser höhere Aufwand schlägt sich deshalb auch im Preis nieder: In der konventionellen Haltung lege eine Henne etwa 300 Eier pro Jahr, 280 seien es in der Bio-Haltung, nur etwa 200 bis 240 bei Zweinutzungshühnern, rechnen Fabian und Leonhard Häde vor. Allerdings hoffen die Landwirte beim Zweinutzungshuhn auf eine deutlich längere Legeperiode.

Ab Montag sollen die Eier der Zweinutzungshühner in ausgewählten Tegut-Märkten – unter anderem in Bad Hersfeld – sowie im eigenen Hof- und Dorfladen in speziell gestalteten Sechserkartons zu Preisen zwischen 2,99 und 3,49 Euro angeboten werden. Weitere Besonderheit: Die Eier werden nicht nach Größe sortiert, haben aber ein Mindestgewicht von 300 Gramm. Ein Erfolg werde das Projekt aber nur, wenn auch das Fleisch Abnehmer findet – was laut Fabian Häde die größere Herausforderung ist: Während Hähnchen in der konventionellen Mast in bis zu 30 Tagen ihr Schlachtgewicht erreichen, benötigen ihre langsam wachsenden Artgenossen dafür bis zu 100 Tage. Der Kilopreis für ganze Hähnchen liegt deshalb bei 15 Euro, der für Brustfleisch bei 35 Euro. Die Verarbeitung der Tiere übernehmen Bio-Schlachtereien im benachbarten Niedergude sowie in Witzenhausen. Bei der Vermarktung des gefrorenen und künftig auch des frischen Fleischs setzt Häde vor allem auf den Direktverkauf in Hof- und Dorfladen sowie im eigenen Online-Shop. (jce)
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