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Haunetaler feiern ihren Kirchenschatz, der 501 Jahre alt ist

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Von: Kim Hornickel

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Das Haunetaler Retabel gab es schon zu Martin Luthers Zeiten. Dieses Jahr wird der Kirchenschatz 501 Jahre alt. Pfarrer Thomas Funk gibt auch Gruppenführungen durch das Neukirchener Gotteshaus.
Das Haunetaler Retabel gab es schon zu Martin Luthers Zeiten. Dieses Jahr wird der Kirchenschatz 501 Jahre alt. Pfarrer Thomas Funk gibt auch Gruppenführungen durch das Neukirchener Gotteshaus. © Kim Hornickel

Die Haunetaler Kirche feiert den Geburtstag ihres Retabels. Dabei handelt es sich um einen geschichtsträchtigen Altaraufsatz, der 501 Jahre alt ist.

Neukirchen – Eigentlich hängt ein Altaraufsatz – ein sogenanntes Retabel – nicht an der Wand. „Und in einer so kleinen evangelischen Kirche in der Region ist ein aufwendig gefertigtes Retabel ohnehin eine Ausnahme“, sagt Haunetals Pfarrer Thomas Funk. Doch im Gotteshaus in Neukirchen ist nicht alles wie gehabt.

Wie die uralte Kirchenausstattung trotzdem in die Dorfkirche gekommen ist, da hat Funk eine Vermutung: Der Bauherr und katholische Fuldaer Fürstabt Johann Bernhard Schenk zu Schweinsberg (regierte 1623-1632) brachte das schmucke Retabel mit. In der Michaeliskirche, gleich neben dem Fuldaer Dom, gibt es auch heute noch Abbildungen in ähnlichem Stil zu sehen. Die stammen vermutlich sogar aus der gleichen Werkstatt wie das Haunetaler Retabel.

„501 Jahre ist das Retabel alt. Das weiß man, weil es draufsteht“, sagt Pfarrer Funk schlicht und klappt den rechten Flügel des Altaraufsatzes um. Dort, auf der Außenseite, ist Jesus zu sehen. Wächter foltern ihn und setzten ihm die Dornenkrone auf. Links ist ein Kamin abgebildet, auf dem die Jahreszahl 1522 prangt.

Es sind noch drei weitere Bilder auf den Außenflügeln verewigt, alle vier zeigen die Passionsszenen: Jesus betet im Garten Gethsemane, Jesus steht vor dem Hohen Rat, Jesus vor Pilatus. „Eigentlich ist das die Ansicht, die die Gläubigen das ganze Jahr über sehen, also die Werktagsseite“, erklärt Funk den Umgang mit dem Retabel. Früher sei das Innere, also die Festtagsseite, nur zu hohen kirchlichen Feiertagen gezeigt worden.

In Haunetal-Neukirchen ist der Altaraufsatz immer geöffnet

In Haunetal ist es andersherum, hier ist der Altaraufsatz immer geöffnet. „Nur zur Passionszeit schließen wir ihn und erinnern so an die Leidensgeschichte Jesu.“ Im Osternachtsgottesdienst, zur Auferstehung Jesu Christi, öffnet die Küsterin das Retabel feierlich, erklärt der Pfarrer. Dann ist wieder die Kreuzigungsszene zu sehen, mit Maria Magdalena, die sich an das Kreuz klammert.

Links von Jesus ist Maria zu sehen, rechts von ihm Johannes, der als Lieblingsjünger immer wieder in der Nähe von Jesus zu sehen sei, sagt Funk. Soweit ist die Szene bekannt. Aber die Schnitzarbeit, die vermutlich aus einer Erfurter Werkstatt stammt, birgt auch eine ganze Menge Besonderheiten.

Termin: Ein halbes Jahrhundert Altaraufsatz

Sie wollen sich ihre Jubiläumsfeier nicht nehmen lassen und deshalb holen die Neukirchener die im vergangenen Jahr coronabedingt entfallene Geburtstagsfeier ihres Retabels jetzt nach. Am Sonntag um 11 Uhr wird demnach der 501., statt 500. Geburtstag, mit einem Festgottesdienst in der evangelischen Kirche in Haunetal-Neukirchen gefeiert. Nach dem Gottesdienst wird ein buntes Programm mit Kurzführungen zum Altar-Retabel und ein Gauklerprogramm geboten. Auch „Schmackhaftes in deftig und süß“ werde es geben, schreiben die Veranstalter in einer Pressemitteilung.

So sei das Kreuz besonders ungewöhnlich gefertigt, erklärt der Pfarrer. „Jesus ist hier an einem Astkreuz zu sehen, an dem rote Knospen hängen, die an das Blut Christi erinnern. Die zwei Engel mit den Bechern fangen es auf. Den Kelch, mit dem Blut Christi, empfangen wir dann beim Abendmahl“, erklärt Funk die Symbolik hinter dem Stück Kunsthandwerk.

„Bis hier ist es eine klassische Darstellung“, sagt Pfarrer Funk. Die rechte Figur sei in so einer Szene jedoch unüblich. Einiges deute bei ihr auf den heiligen Stephanus hin. Einen wichtigen Hinweis hat die Holzfigur in der Hand – drei Steine. „Heilige wurden oft mit Dingen dargestellt, mit denen sie getötet wurden,“ erläutert der Pfarrer. Der heilige Stephanus, der einer der ersten Diakone gewesen sein soll, war somit gesteinigt worden.

Retabel in Haunetal: Rätselhafte Darstellung eines Heiligen

Deutlich rätselhafter als der Mann mit den Steinen ist allerdings die Darstellung eines Heiligen, links neben Maria. Die Figur hält ein Schwert in der Hand. Doch genau hier vermutet Pfarrer Funk Sabotage. „Unser Heimatforscher, Victor Sabo, hat mir mal erzählt, dass das Schwert vermutlich fälschlich und erst später ergänzt worden ist,“ so Funk.

Wann das Retabel verändert worden ist, sei jedoch unklar. Es könne jedoch sein, dass dort ursprünglich eine Märtyrerpalme gewesen sei. Pfarrer und Heimatforscher kamen deshalb zu dem Schluss, dass der heilige Paulus gemeint sein könnte. „Allerdings ist die Bekehrung des Paulus schon auf der rechten Seite zu sehen“, sagt Funk und meint den angrenzenden Flügel, auf dem ein Reiter, von einem Licht geblendet, in die Knie geht. Des Rätsels Lösung ist die Erklärung also vermutlich nicht.

Damit der Kirchenschatz allerdings weiterhin so gut erhalten bleibt, prüft eine Restauratorin regelmäßig den Zustand und reinigt das Retabel, berichtet Pfarrer Funk. Und weil die Neukirchener so stolz auf ihren einzigartigen Altaraufsatz sind, holen sie die im vergangenen Jahr coronabedingt ausgefallene Geburtstagsfeier nach. Immerhin ist der Neukirchener Klassiker schon stolze 501 Jahre alt. (Kim Hornickel)

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