Interview mit Donata von Schenck über Erdbebenhilfe

Wie kann den Menschen in der Türkei geholfen werden? Diese und viele weitere Fragen haben wir Donata Freifrau Schenck zu Schweinsberg gefragt.
Hersfeld-Rotenburg – Menschen in Not helfen, das ist für Donata Freifrau Schenck zu Schweinsberg aus Oberaula-Hausen Lebensaufgabe. Dabei hat sie sowohl das Schicksal von Einzelnen als auch die gesamte politische Lage im Blick. Wir sprachen mit ihr über Hilfe für Erdbebenopfer und Kriegsflüchtlinge.
Erschütternde Bilder und Geschichten erreichen uns jeden Tag aus der Türkei und aus Syrien. Was können die Menschen hier tun, um zu helfen?
Sie können natürlich spenden. Es gibt ja genügend Spendenaufrufe für Finanz- und Sachmittel. Und man kann auch Kontakte pflegen zu den türkischen und syrischen Freunden und die unterstützen und trösten. Denn was deren Familien zurzeit widerfährt, ist ganz großes Leid. Die haben ihr ganzes Hab und Gut und oft auch Familienmitglieder verloren. Und die hier Lebenden sind gebeutelt, weil sie weit weg sind und nicht direkt helfen können. Vor allem in der Türkei sind oft die Kurden und andere Minderheiten betroffen, die ohnehin schon Probleme haben und sich jetzt bei der staatlichen Hilfe hinten anstellen müssen. Auf jeden Fall sollten wir uns klar machen, wie gut es uns in Deutschland geht und dass es eine Selbstverständlichkeit ist, Menschen zu unterstützen, die schlechter dran sind.
Ist es sinnvoll, Sachspenden zu sammeln oder sollte es besser einfach Geld sein?
Die Türkei hat ja eine eigene Textilindustrie. Mit dem gespendeten Geld können die Helfer vor Ort die Dinge kaufen, die die Menschen brauchen. In Deutschland sammeln aber viele auch Sachspenden. Da muss man sich schlaumachen, wer welches Material benötigt. In Bad Hersfeld gibt es zum Beispiel den aus Syrien stammenden Mitarbeiter der Stadt, Mohamad Ashour, der mit der Al Hoda Moschee Sachspenden gesammelt hat. Über den hat Ihre Zeitung berichtet. Es ist eigentlich alles von Nöten.
Wohin spendet man am besten? An die großen Hilfsorganisationen, an „Deutschland hilft“ oder an regionale Initiativen, die persönliche Kontakte in die Gebiete haben?
Das muss sich jeder sehr genau überlegen. Bei den großen Organisationen, wie zum Beispiel dem Aktionsbündnis Katastrophenhilfe, die das DZI-Siegel haben, weiß man, dass kontrolliert wird und dass die Sachen ankommen. Wenn man Privatinitiativen kennt und denen vertraut, kann man auch da spenden. Ich kenne eine Dame, die sammelt und schickt über ein Konto im Libanon Ärzten in Syrien Geld, die dann Medikamente und Verbandsmaterial besorgen. Wenn ich so jemanden kenne, würde ich das auch empfehlen. Gut finde ich auch eine Organisation, die Zeltschulen betreibt. Es ist wichtig, dass die traumatisierten Kinder jetzt betreut werden – auch seelisch. Und dann gibt es natürlich Verbände und Vereine, wie die Lions und die Rotarier, die ja auch alle irgendetwas machen.
Jede Spende, die ich gebe, hinterfrage ich, weil ich möchte, dass mein Geld auch da ankommt, wofür ich es vorgesehen habe.
Im Moment ist mir jedoch bei allen Hilfsaktionen Syrien zu wenig im Blickfeld. Die Hilfe geht überwiegend in die Türkei. Ich persönlich würde mich aber gerne für Syrien mehr einsetzen. Das ist natürlich politisch etwas schwieriger.
Bei all dem Elend, das es zurzeit gibt, weiß man gar nicht, wo man zuerst helfen soll: Türken, Syrern oder den Kriegsopfern aus der Ukraine?
Wir wissen auch nicht, wo die Not am größten ist. Und wir dürfen nicht vergessen, dass in Afrika ganz viele Kinder verhungern. Oder der Krieg in Afghanistan. Der lässt uns auch nicht unberührt.
Wie viele Katastrophen und Kriege können Menschen ertragen ohne abzustumpfen und gleichgültig zu werden und dann zu sagen „Ich halte das nicht mehr aus. Ich will gar nichts mehr wissen“?
Die besten Informationen sind immer die, die von den Menschen direkt kommen. Dazu muss man sie fragen: Wie ist es Dir ergangen? Warum bist Du geflohen? Wie geht es Deinen Verwandten in Aleppo? Das geht dann wirklich unter die Haut. Wenn ich jeden Abend die Nachrichten gucke, und höre, wie furchtbar alles ist, dann kann man nur abstumpfen. Aber das dürfen wir nicht. Weil es uns gut geht und wir helfen können.
Wie geht es Ihnen persönlich als Präsidentin einer Hilfsorganisation? Setzen solche Katastrophen bei Ihnen Energie frei oder ist da manchmal auch einfach Erschöpfung?
Bei mir wird Adrenalin frei, umso mehr, wenn ich von privaten Schicksalen erfahre, wenn ich zum Beispiel von meiner syrischen Freundin höre, wie es läuft, wenn jemand seine Familie nach Deutschland holen will. Dann setze ich mich mit dem BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) in Verbindung und mit dem Auswärtigen Amt und lasse mir genau die Bestimmungen geben, wie man Menschen holen oder wie man helfen kann. Und dann ist man natürlich auch entsetzt und traurig, wenn man von diesen bürokratischen Hürden erfährt, die es sehr schwierig machen zu helfen. Da werden Papiere verlangt, die die Menschen nicht haben, weil ihre Häuser eingestürzt sind oder weil sie in Syrien gar keine Pässe bekommen. Und es sind finanzielle Garantien notwendig, die kaum jemand leisten kann.
Sind professionelle Helfer aus der Region zurzeit im Erdbebengebiet unterwegs?
Wir arbeiten als DRK mit dem Syrischen Halbmond und mit dem Roten Halbmond zusammen, haben also permanente Kontakte und schicken da auch Hilfslieferungen hin. Es sind diverse Konvois aus Deutschland in die Türkei geflogen worden. Auch aus Fritzlar-Homberg ging gerade ein Hilfsgütertransport ins Katastrophengebiet. Diese Aktivitäten werden aber zentral aus Berlin oder auch aus Genf vom Roten Kreuz gesteuert.
Was ich mache, ist die persönliche Betreuung. Ich habe Menschen, die ich berate oder für die ich sorge und für die ich sammele.
Rettungssanitäter vom DRK Fulda sind gerade aus der Ukraine zurückgekommen, haben von ihren Erlebnissen berichtet. Sie haben sofort gesagt, sie würden da noch einmal hinfahren.
Wenn jemand helfen möchte, an wen kann er sich wenden?
Natürlich ans Rote Kreuz direkt. Solche Einsätze werden aber über die Zentrale in Berlin oder gleich über Genf koordiniert. Mir selbst ist es ein persönliches Bedürfnis, mich um die Menschen hier vor Ort zu kümmern und sie zu unterstützen. (Christine Zacharias)