Zehn Jahre Amazon-Streik: Hunderte gehen in Bad Hersfeld auf die Straße

Noch haben sie ihr Ziel, einen Tarifvertrag für alle Amazon-Mitarbeiter, nicht erreicht. Deshalb streikt die Gewerkschaft Verdi weiter.
Bad Hersfeld – Verdi hatte für Freitag, 26. Mai 2023, dem zehnten Jahrestag der Proteste in Bad Hersfeld, zu einer Versammlung an dem Ort aufgerufen, wo 2013 alles begonnnen hat – in der Schildehalle. Die Gewerkschaftler wollten mit der Aktion ein Zeichen setzen und ihre bisherigen Erfolge im Arbeitskampf feiern. Hunderte Verdi-Mitglieder kamen in und vor der Schildehalle zusammen. „Heute wird gefeiert, dass wir zehn Jahre durchgehalten haben und kein bisschen nachgeben“, bekräftigte Andreas Gangl, Sprecher der Vertrauensleute in Bad Hersfeld.
Betriebsrat Gangl ist wie alle Vertrauensleute das Bindeglied zwischen Verdi und den Amazon-Mitarbeitern. Der Kirchheimer ist selbst seit 14 Jahren beim Online-Riesen beschäftigt und war schon bei den ersten Verdi-Streiks 2013 dabei. „Meistens sind so um die 900 Leute bei den Amazon-Aktionen dabei.“ An diesem Freitag liege die Zahl vermutlich darunter, schätzt Gangl. Insgesamt 1500 Amazon-Mitarbeiter am Standort Bad Hersfeld sind auch Mitglieder bei Verdi. Zum Vergleich: Vor Ort beschäftigt Amazon derzeit rund 2700 Menschen, so der Kirchheimer.

Bei der Streikveranstaltung gestern zogen die Verdi-Mitglieder auch durch die Bad Hersfelder Innenstadt. Die Polizei berichtete anschließend von 450 Teilnehmern, die sich dem Zug anschlossen. Mit Trillerpfeifen und Verdi-Fahnen zogen die Demonstranten durch die Straßen und über den Wochenmarkt.
Einige hielten Schilder hoch. „Ich kämpfe hier draußen für faire Pausen“ und „Urlaubsgeld statt T-Shirts“ war darauf zu lesen. Die Gewerkschaftler skandierten: „Wir sind hier, wir sind laut, weil Jeff Bezos uns die Kohle klaut.“
Auch Amazon-Beschäftigte aus Leipzig und Berlin reisten an
Vereinzelt waren auch Verdi-Mitglieder der Amazon Standorte Leipzig und Berlin angereist und hatten sich dem Protestzug solidarisch angeschlossen. Der war breit aufgestellt: Männer, Frauen, Familien mit Kindern – Menschen unterschiedlicher Herkunft und aller Altersgruppen hatten sich dem Protest angeschlossen. Die Mehrzahl der Streikenden sei jedoch tendenziell eher männlich und über 40 Jahre alt, so auch an diesem Tag.
Andreas Gangl berichtete außerdem von einem Erstarken des „migrantischen Arbeitskampfes“ in der Gewerkschaft. Dass mittlerweile viele Menschen unterschiedlicher Herkunft Mitglied sind, sei ein Erfolg, der jedoch hart erarbeitet sei. „Es war nicht immer einfach, an diese Menschen heranzukommen. Da ist natürlich auch die Sprachbarriere ein Problem“, sagte Gangl.
Andere hätten das Gefühl, als Gast in Deutschland kein Recht auf Streik zu haben, erklärte der Gewerkschaftler. Mit einem weiteren Problem sehen sich Amazon-Mitarbeiter mit befristeten Verträgen konfrontiert. „Diese Menschen sind nicht Teil der Streiks, weil sie ansonsten eine geringe Chance auf Übernahme haben“, erklärt Gangl die Lage. Derzeit seien jedoch alle befristeten Verträge bei Amazon ausgelaufen und die Mitarbeiter ohnehin nicht mehr bei Amazon. Auch der von Verdi kritisierten Unternehmenspolitik des „Heuern und Feuern“ wollen die Gewerkschaftler mit dem geforderten Tarifvertrag ein Ende setzen. (Kim Hornickel)