Musikunterricht oder Sport im Verein sind ebenfalls nur schwer möglich. Zwar wird den Kindern theoretisch die Teilhabe ermöglicht, indem die Vereinsmitgliedschaft oder der Unterricht bezahlt werden. Auf den Kosten für Fußballschuhe, anderes Sportgerät oder für die Leihgebühr eines Instruments bleiben die Eltern aber sitzen, berichtet Gerhard Amend von der „Initiative Sozial“, die Menschen unterstützt, die auf Leistungen des Staats nach dem Sozialgesetzbuch angewiesen sind. In einer armen Familie zu leben bedeutet für viele Kinder Scham und Ausgrenzung.
Auch Freundschaften mit anderen Kindern sind schwierig. Freunde nach Hause einladen? In den kleinen Wohnungen ist das ein Problem. Und Geburtstagseinladungen? Teure Geschenke mitbringen, so wie die Klassenkameraden, können Kinder aus armen Familien nicht. Selber mit Freunden feiern sprengt meistens das Budget.
Für viele Kinder ist eine tägliche warme Mahlzeit nicht selbstverständlich. Laut der KiGGS Welle 2-Studie des Robert-Koch-Instituts ernähren sich wirtschaftlich benachteiligte Kinder häufiger ungesund, treiben seltener Sport und sind häufiger übergewichtig.
Wenn das Geld gerade mal für das Notwendigste reicht, wird es zum Problem, wenn Geräte wie Waschmaschine, Kühlschrank oder Backofen kaputt gehen. Silvia Hemel von der Tafel in Bad Hersfeld fand es erschreckend, als sie während des coronabedingten Lockdowns, als die Tafeln auf Lieferung ins Haus umgestellt hatten, feststellen musste, dass viele Familien ohne Kühlschrank, Gefrierfach oder Backofen zurechtkommen müssen.
Eigentlich seien Hartz IV-Empfänger verpflichtet, jeden Monat ein paar Euro für notwendig werdende Neuanschaffungen zurückzulegen, erklärt Gerhard Amend von der Initiative Sozial. Da das aber in den meisten Familien nur schwer möglich sei, müssten sie beim Amt einen Kredit beantragen und das Geld dann abstottern.
Amend, der selbst Hilfe bezieht, hat sich seit vielen Jahren intensiv in die Sozialgesetzgebung eingearbeitet und es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen, die Arbeitslosengeld II, Hartz IV oder Grundsicherung beziehen, zu beraten und über ihre Ansprüche aufzuklären. Er ist überzeugt davon, dass viele Bescheide fehlerhaft sind. Erst auf den Widerspruch hin erhalten die Betroffenen, was ihnen zusteht.
Darauf hofft nun auch Susanne Meier. Eines ihrer finanziellen Probleme ist, wie bei vielen Hilfeempfängern, dass sie keine Wohnung findet, deren Miete vom Amt komplett getragen wird. Also muss sie selbst dazu zahlen. Geld, das dann an anderer Stelle fehlt. Die im März 2020 vom Bund beschlossene Corona-Sonderregelung, dass jede Miete ohne Überprüfung bezahlt wird, hätte ihr helfen können. Denn im März 2020 ist sie mit ihren Kindern in eine neue Wohnung umgezogen, weil ja noch ein Baby unterwegs war.
Die Regelung sei aber, so erklärt Amend, im Kreis nur sehr zögerlich umgesetzt worden. Mit Amends Unterstützung hofft die junge Mutter nun, das zu viel gezahlte Geld – immerhin 90 Euro im Monat – zurückzubekommen. Gerhard Amend ist da zuversichtlich. Mit seinen Widersprüchen haben die Betroffenen meistens Erfolg.
Wegen des Wechsels im Landratsamt – Sozialdezernentin Elke Künholz geht in den Ruhestand – und wegen des Weihnachtsurlaubs war es leider nicht möglich, aktuelle Zahlen aus dem Kreis oder eine Stellungnahme zu erhalten. (Von Christine Zacharias)