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Festspiele in finsteren Zeiten: Probenbeginn für „Notre Dame“ mit politischer Botschaft

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71. Bad Hersfelder Festspiele: Probenauftakt für „Notre Dame“
Landarzt wird König: Festspiel-Intendant Joern Hinkel (links) mit Schauspieler Walter Plathe. © Kai A. Struthoff

Begleitet von einem gewaltigen Medieninteresse haben am Dienstag die Proben für die 71. Bad Hersfelder Festspiele begonnen.

Bad Hersfeld - Vor 40 Journalisten, fünf Kamerateams, aber auch zahlreichen Sponsoren und Stadtpolitikern stellte Festspiel-Intendant Joern Hinkel das mit Spannung erwartete Ensemble für sein Premierenstück „Notre Dame“ vor. Das Stück nach dem Roman von Victor Hugo eröffnet am 1. Juli den Theatersommer.

Neben „Tatort-Kommissar“ Richy Müller (wir berichteten) werden dort „Landarzt“ Walter Plathe, „Tatort-Gerichtsmediziner“ Jürgen Hartmann sowie bereits bei den Festspielen bekannte und beliebte Darsteller wie Anouschka Renzi, Mathias Schlung, Bettina Hauenschild Günter Alt und Peter Englert auf der Bühne stehen. Für die Besetzung der heimlichen Hauptrollen setzt Hinkel auf gestandene, aber vor allem aus dem Theater bekannte Schauspieler. Die Deutsch-Französin Cathrine Sophie Dumont spielt die Rolle der verführerische Tänzerin Esmeralda, Robert Nickisch den Glöckner Quasimodo.

Medienandrang beim Fototermin mit dem Notre-Dame-Ensemble vor der Probenhalle im Kurpark.
Medienandrang beim Fototermin mit dem Notre-Dame-Ensemble vor der Probenhalle im Kurpark. © Kai A. Struthoff

Bürgermeister Thomas Fehling begrüßte zum letzten Mal in diesem Amt das Ensemble. „Bad Hersfeld liebt und lebt die Festspiele“, sagte er und fügte mit einem Augenzwinkern hinzu: „Es gibt hier deshalb auch 30 000 Intendanten – aber nur einen Joern Hinkel“. Fehling bekräftigte, dass Bad Hersfeld auch in Zukunft unter den Festspielstädten ganz vorn mit dabei sein will.

Joern Hinkel selbst zitierte zur Begrüßung Bertolt Brecht: „Wir leben in finsteren Zeiten“, sagte er mit Blick auf den Ukraine-Krieg, die Corona-Pandemie und die Umweltzerstörung. Gerade jetzt sei es deshalb die wichtigste Aufgabe der Kunst „unsere Wert zu verteidigen und die Demokratie spürbar zu machen. „Notre Dame“ sei vor diesem Hintergrund sehr aktuell, denn es richte sich auch gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Hinkel sagte: „Ich bin froh, dass unsere Stücke nicht zensiert werden.“ Es sei das Wesen der Demokratie, auch andere Meinungen zu hören und auszuhalten.

Fehling und Hinkel dankten den örtlichen Sponsoren, und der Stadtpolitik, die nach der coronabedingten Durststrecke zu den Festspielen halten. Auch über das große Medieninteresse freuten sie sich, zumal der Karten-Vorverkauf zuletzt etwas schwächelte. „Wir wollen jetzt die Stiftsruine wieder aus ihrem Dornröschenschlaf erwecken“, versprach Hinkel.

Neugier auf „Notre Dame“ und das Ensemble

Joern Hinkel hat recht: Es ist schon ein „absurder Vorgang“. Die ersten Gehversuche des Ensembles, die erste Annäherung an einen fremden Text, das erste Beschnüffeln der Kollegen – und das alles unter den wachsamen Augen der Presse, der Politik und der Sponsoren. Trotzdem konnte man bei der ersten Leseprobe für das Premierenstück „Notre Dame“ schon einige Eindrücke mitnehmen.

„Wir haben uns bei dem Stück auf den Originalroman zurückbesonnen“, erklärte Joern Hinkel, wohlwissend, dass die meisten vor allem die Bilder aus dem starken Film mit Anthony Quinn und Gina Lollobridgida vor Augen haben. Doch auch die Hersfelder Esmeralda, Cathrine Sophie Dumont, ließ beim Lesen schon ihre verführerischen Qualitäten erahnen. Quasimodo, gespielt von Robert Nickisch, ist ein gestandenes Mannsbild, dem man es zutraut, die Glocken der alten Kathedrale zum Schwingen zu bringen. Er selbst musste wegen eines Unfalls seine Sportkarriere aufgeben und kann sich deshalb besonders gut in die Rolle des gehandicapten Glöckners hineinversetzen. Anouschka Renzi, gerade zurück aus dem Dschungelcamp, spielt gleich vier Rollen, unter anderem eine „Puff-Mutter“, und musste zum Probenbeginn mit die meisten Interviews geben. Richy Müller indes ließ schon beim ersten Lesen eindringlich die Zerrissenheit seines Geistlichen Claude Frollo erkennen, der ebenfalls der schönen Esmeralda verfallen ist.

Joern Hinkel wählt für seine Bühnenfassung eine ungewöhnliche Erzählweise. „Es gibt nicht nur die klassische Dialogform“, erklärte Hinkel. So wird unter anderem Günther Alt als Erzähler die Handlung vorantreiben, aber auch die Schauspieler werden, wie bei Selbstgesprächen, ihre Gedankenwelt mit den Zuschauern teilen.

Eines jedenfalls hat die öffentliche Probe erreicht: Die Neugier auf „Notre Dame“ und ein interessantes Ensemble mit bekannten und neuen Gesichtern steigt. (Kai A. Struthoff)

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