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20 Jahre „Bad Hersfeld liest ein Buch“: Hauptsache, es wird gelesen

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Von: Christine Zacharias

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Eine Luftballonaktion war im Jahr 2017, als die Bibel gelesen wurde, Teil der Literaturaktion „Bad Hersfeld liest ein Buch“. Archiv
Eine Luftballonaktion war im Jahr 2017, als die Bibel gelesen wurde, Teil der Literaturaktion „Bad Hersfeld liest ein Buch“. Archiv © Thomas Landsiedel

Die Literaturaktion „Bad Hersfeld liest ein Buch“ gibt es seit 20 Jahren - und damit länger als das Vorbild in Chicago.

Bad Hersfeld – Eine Literaturaktion für alle in der Stadt der Bücher – das war vor 20 Jahren eine Idee, die Thomas Handke faszinierend fand. In einem Artikel der „Süddeutschen“ hatte er von der Aktion „One Book, One Chicago“ gelesen und überlegte nun, so etwas auch für Bad Hersfeld anzubieten – die Stadt, in der Konrad Duden wirkte und die mit Amazon und Libri große Buchlogistiker beherbergt.

Für seine Idee fand Handke schnell Mitstreiter, zunächst in der SPD, für die er auch im Stadtparlament saß, dann auch in anderen Parteien. Die Lektüre könnte ein gemeinsames Gesprächsthema für Menschen verschiedener Altersgruppen sein und Lust auf Lesen machen – das sind die Hintergedanken der Aktion, die in Bad Hersfeld bereits seit 20 Jahren funktioniert. Es war die erste Stadt in Deutschland, in der die Aktion aus Chicago aufgegriffen wurde und ist, da Chicago inzwischen nicht mehr gemeinsam liest, vermutlich weltweit die Stadt, in der das Projekt am längsten läuft, sagt Thomas Handke nicht ohne Stolz.

„Am schwierigsten ist es immer, ein geeignetes Buch zu finden“, sagt Jury-Vorsitzender Handke, der selbst gerne liest. Es habe zwar von Anfang an eine Jury gegeben, doch habe in den ersten Jahren häufig der damalige Bürgermeister Hartmut H. Boehmer, ein belesener und vielseitig interessierter Mann, diese Entscheidung getroffen. Heute ist es tatsächlich die Jury, die entschied, wobei die Aufgabe, die vorgeschlagenen Bücher zu lesen und zu bewerten in der Gruppe aufgeteilt wird, sodass nicht jeder jedes Buch gelesen haben muss.

Entscheidende Kriterien:

.  Es sollte ein noch lebender deutscher Autor oder eine Autorin sein, der oder die dann möglichst auch nach Bad Hersfeld kommt.

.  Das Thema des Buches sollte ein möglichst breites Publikum ansprechen.

.  Das Werk sollte literarische Qualität haben, aber trotzdem gut zu lesen sein.

.  Es sollte ein Taschenbuch sein, damit sich jeder das Buch leisten kann.

.  Die Seitenzahl sollte 300 nicht überschreiten. Nicht immer gelingt es, alle Kriterien zu berücksichten, räumte Handke ein. So war es im vergangenen Jahr, als Bad Hersfeld aus aktuellen Anlass „Die Pest“ von Albert Camüs las, 2014, als 100 Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs der Antikriegsroman „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque auf dem Programm stand oder 2017, als 500 Jahre Reformation der Anlass waren, sich intensiv mit der Bibel auseinanderzusetzen. Aber „Hauptsache, es wird gelesen“, meint er.

Der Vorschlag für das Buch 2021, Ulrich Woelks „Der Sommer meiner Mutter“, stamme übrigens noch von Karl Schönholtz, dem im vergangenen Jahr plötzlich verstorbenen HZ-Redakteur, dessen Wissen und Erfahrung auch in der Jury schmerzlich vermisst würden, erklärt Handke.

„Bad Hersfeld liest ein Buch“ sei, so betont Thomas Handke, eine etablierte Kulturaktion von Bürgern für Bürger. Die Schulen seien eine wesentliche Säule der Aktion, zum einen durch die intensive Auseinandersetzung im Unterricht, zum anderen durch ihre Beiträge in der Aktionswoche(n). Die beginnen in diesem Jahr mit einer Auftaktveranstaltung am 6. November und dauern bis zum 25. November.

Die Gesamtschulen Geistal und Obersberg haben wieder unterhaltsame Programme vorbereitet, dazu gibt es Leseaktionen zu verschiedenen Schwerpunkten und sogar ein Symposium mit dem Autor. Ulrich Woelk wird auch am 25. November aus einem Buch lesen. (Christine Zacharias)

Diese Bücher las Bad Hersfeld 

2002 Der Vorleser von Bernhard Schlink

2003 Niemandszeit von Jörg Bernig

2004 Der Alchimist von Paulo Coelho

2005 Hiob von Joseph Roth

2006 Faust I von Johann Wolfgang von Goethe

2007 Faust II von Goethe

2008 Im Krebsgang von Günter Grass

2009 Tannöf von Andrea Maria Schenkel

2010 Ruhm von Daniel Kehrmann

2011 Angerichtet von Hermann Koch

2012 Die Frau, für die ich den Computer erfand von Friedrich Christian Delius

2013 Louise im blauweiß gestreiften Leibchen von Mathias Nolte

2014 Im Westen nichts Neues von Erich Maria Remarque

2015 Am kürzeren Ende der Sonnenalle von Thomas Brussig

2016 Terror von Ferdinand von Schirach

2017 Die Bibel

2018 Auerhaus von Bov Bjerg

2018 In Zeiten des abnehmenden Lichts von Eugen Ruge

2020 Die Pest von Albert Camus

2021 Der Sommer meiner Mutter von Ulrich Woelk

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