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Expertin erklärt, wie Freunde ticken: Vertrauen in die Unbestechlichen

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Von: Kim Hornickel

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Freundschaften sind nicht immer einfach, zur offenen Diskussion im Konfliktfall kommt es dabei eher selten. Die Expertin rät aber zum offenen Gespräch, gerade dann, wenn es mal schwierig wird.
Freundschaften sind nicht immer einfach, zur offenen Diskussion im Konfliktfall kommt es dabei eher selten. Die Expertin rät aber zum offenen Gespräch, gerade dann, wenn es mal schwierig wird. © Kim Hornickel

Normalerweise berichten wir in unserer Serie „Freunde fürs Leben“ über besondere Freundschaften. Heute erklärt eine Expertin, warum wir Freunde so dringend brauchen und wie man „richtig“ streitet.

Bad Hersfeld – Gute Freunde sind gut für die Gesundheit? Wenn es nach unserem Körper geht schon. „Die psychologische Sicherheit, die uns gute Freunde vermitteln, senkt den Cortisol-Spiegel (Stresshormon) und so wird das Immunsystem gestärkt“, erklärt Andrea Budde, Chefärztin der Hainberg-Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie in Bad Hersfeld.

Im Umkehrschluss heißt das, wer einsam ist, hat ein höheres Risiko, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu leiden, sagt Budde. Freundschaften sind also gut für Körper und Geist. „Freunde machen uns resilient“, erklärt die Psychiaterin und Neurologin. Das heißt, treffen wir uns mit Freunden, werden wir widerstandsfähiger.

Andrea Budde (58) ist seit 2020 Ärztliche Direktorin der Hainberg-Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie in Bad Hersfeld und seit 2018 Chefärztin der Rehabilitationsklinik für Psychosomatik und Psychotherapie.
Andrea Budde (58) ist seit 2020 Ärztliche Direktorin der Hainberg-Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie in Bad Hersfeld und seit 2018 Chefärztin der Rehabilitationsklinik für Psychosomatik und Psychotherapie. © Kim Hornickel

Freiwillige Familie

Aber wozu brauchen wir ausgerechnet Freunde? Reicht der Kontakt zur Familie nicht aus? Sind Onkel, Schwestern, Brüder, Cousinen und Neffen nicht ebenso gute Freunde? „Doch, aber der Unterschied zu Freunden, die nicht mit uns verwandt sind, ist die Freiwilligkeit“, sagt Budde. Eine Familie kann man sich natürlich nicht aussuchen. „Innerhalb einer Familie muss man sich auch mehr arrangieren“, erklärt die Expertin. „Freundschaften sind dagegen freiwillige Seelenverwandtschaften“, weiß Budde aus vielen Gesprächen. Und noch ein Aspekt unterscheidet die Familienbeziehung von der Freundschaft. Es ist die Abhängigkeit, sagt Budde. Denn im Unterschied zu Familie oder Kollegen sei die Beziehung zu Freunden weniger von Verpflichtungen oder Hierarchien geprägt und deshalb tendenziell eher auf Augenhöhe.

„Natürlich gibt es auch in Freundschaften Abhängigkeiten, aber bei einer gesunden Beziehung gleichen die sich immer wieder aus“, sagt Budde. Jeder hilft also dem anderen, wenn es nötig ist, und umgekehrt.

Fehlt eine eigene Familienstruktur, oder ist die Beziehung zur Familie gestört, könnten Freunde sogar die Rolle von Ersatzgeschwistern und -eltern übernehmen. Solche Überschneidungen bedeuteten jedoch Herausforderungen für die Freundschaft, sagt Budde.

Streiten erwünscht

Denn wie wir mit Freunden umgehen, könne sich deutlich vom Umgang mit der Familie unterscheiden. Andrea Budde hat gleich ein Beispiel parat: Das Thema Streiten. Mit Freunden streiten wir meist anders als mit der Familie, sagt die Chefärztin. „In der Verwandtschaft und in einer Partnerschaft werden Konflikte tendenziell eher offen ausgetragen, bei Freundschaften gibt es eher Tendenzen zur Konfliktvermeidung.“ Aus psychologischer Sicht raten die Experten jedoch auch in Freundschaften zum direkten Gespräch. „Das ist konstruktiver und für die Freundschaft gesünder, als eine vermeidende Haltung“, sagt Budde.

Aber wieso schreien wir einem Partner unsere Wut ungebremst entgegen und zeigen unseren Freunden eventuell nur die kalte Schulter? Andrea Budde hat dafür eine Erklärung: „Aus der Freiwilligkeit einer Freundschaft heraus fragen wir uns, wie viel wir bereit sind, zu investieren. Tut mir mein Gegenüber gut, bin ich bereit, mehr zu geben, ist das nicht der Fall, dann ziehe ich mich villeicht lieber zurück und lasse die Freundschaft einfach ausschleichen.“ Eine gemeinsam gut bewältigte Krise kann Freunde aber auch zusammenschweißen.

Nähe ist kein Kinderspiel

Wie wir uns als Jugendliche und Erwachsene auf andere Menschen einlassen können, entscheidet sich dabei schon in den ersten Lebensjahren. „Eine gute Bindung ist für jeden wichtig. Als Säugling lernen wir durch die Bindung zu den Eltern das Gefühl von Vertrauen und Sicherheit kennen. Ist diese jedoch gestört, kann es später zu Problemen bei sozialen Kontakten kommen“, erklärt Budde. Wer dagegen in der Lage ist, sichere Bindungen einzugehen, kann Nähe und Distanz zu anderen in einem gesunden Maß regeln, erklärt die Expertin.

Im Alltag bedeute das auch, zu akzeptieren, dass eine Freundschaft nicht immer exklusiv ist. Ein Freund oder eine Freundin hat also auch andere Freunde. „Das zu akzeptieren zeugt von Reife“, sagt Budde.

Und diese Reife ist wiederum nötig, damit Freunde sich überhaupt vertrauen können. „Ein hohes Maß an psychischer Sicherheit ist nötig, damit man in einem Gespräch alles sagen kann und das dann auch vertraulich bleibt“, sagt Budde. Und natürlich sollte jeder auch mal zu Wort kommen. Das klappt nicht immer, aber: „Dann muss jeder für sich entscheiden, ob das noch okay ist.“ Fazit: Wenn es sich für beide Seiten richtig anfühlt, läuft in einer Freundschaft auch nichts verkehrt. (Kim Hornickel)

Checkliste für echte Freunde

Das goldene Rezept für echte Freunde lässt sich so zusammenfassen:

Gegenseitiger Respekt

Eigene Grenzen kennen

Notfalls Regeln festlegen

Und ganz wichtig – natürlich auch auf das Bauchgefühl hören, rät Expertin Andrea Budde, von der Hainberg-Klinik in Bad Hersfeld.

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