31 Jahre war Pettermann an der Grundschule tätig, davon 16 Jahre als Direktorin. Jetzt fehlt ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin. Auf die erste Stellenausschreibung gab es laut Staatlichem Schulamt keinerlei Bewerbungen, nun ist eine erneute Ausschreibung in Arbeit. Ob sich diesmal jemand meldet: ungewiss. „Die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, nimmt ab“, glaubt Klee, und gerade aktuell sei die Verantwortung „riesig“. Dass sich immer weniger Kollegen für die Leitungspositionen interessieren, kann sie aus verschiedenen Gründen aber auch verstehen. Für sie selbst sei diese Aufgabe jedoch immer ein erklärtes Ziel und eine bewusste Entscheidung gewesen. „Ich wollte schon immer nicht nur unterrichten, sondern Schule gestalten, auch wenn mir Unterricht jetzt fehlt“, sagt die 41-Jährige, die aus Eiterfeld-Dittlofrod kommt, sodass beide Standorte für sie zumindest gleich gut zu erreichen seien.
Haunetals Bürgermeister Timo Lübeck (CDU) hat zwar keinerlei Handhabe, weiß aber um die Situation an der Grundschule seiner Gemeinde. Natürlich wäre es schön, wenn die Schule wieder eine eigene Leiterin oder einen eigenen Leiter hätte, zumal man sich bei der Fortschreibung des Schulentwicklungsplans für den Fortbestand der Schule eingesetzt habe. Probleme seien ihm aber noch nicht zu Ohren gekommen, so der Bürgermeister.
Zwischen Hauneck und Haunetal pendelt übrigens nicht nur die Leiterin hin und her – gleiches gilt für die Sekretärin und den Hausmeister. Und noch eine Besonderheit gibt es aktuell in Neukirchen: Auch das Lehrerkollegium besteht seit Beginn des aktuellen Schuljahrs zu 75 Prozent aus neuen Kollegen. „Somit haben wir hier wirklich eine ganz besondere Situation“, stellt Klee fest.
Ähnlich geht es Petra Bock, die als Schulleiterin der Grundschule an der Sommerseite in Bad Hersfeld derzeit auch noch die Leitung der Kolibri-Schule im Stadtteil Asbach innehat. Auch dort konnte diese Position nach Ruhestand bisher nicht neu besetzt werden, obwohl sie sogar schon dreimal ausgeschrieben war. Sie stelle zunehmend fest, „dass es für die Schule ohne ständig besetzte Schulleitung keine optimale Situation ist“. Dazu sei der Umfang der Abordnung zu gering, um ein zweites System so vollständig zu durchdringen, wie die eigene Schule, zumal jede Schule sehr individuelle Abläufe und Gegebenheiten mit sich bringe. „Man bleibt im Grunde in der Rolle des Begleitenden, des Unterstützenden und nimmt dringliche Aufgaben in der Verwaltung wahr“, berichtet Bock. Die Gestaltung des Schullebens vor Ort und die Bewältigung der täglich auftretenden Probleme und Fragen lägen maßgeblich beim Kollegium und insbesondere der Konrektorin vor Ort. „Hier ist jeder gefragt, das System am Laufen zu halten“, so Bock, was eine große Belastung darstelle. Sie hofft, dass sich jemand aus dem Kollegium berufen fühlt, sich zu bewerben, um dem „ungeliebten Schwebezustand“ ein Ende zu bereiten. „Ohne Konrektor geht es nicht“, hat auch Carolin Klee festgestellt.
Wenig Geld, viel Aufwand und jetzt auch noch immer neue Corona-Verordnungen: Gründe für den Mangel an Grundschulleitern und -leiterinnen scheint es gleich mehrere zu geben.
„Doppel-Schulleiterin“ Petra Bock nennt ein stetig wachsendes Aufgabenspektrum inklusive Ganztag und Inklusion, Lehrermangel, die zunehmend schwierige Stellenbesetzungen im Bereich der Grundversorgung sowie die Vielzahl an Verwaltungsaufgaben, die in der jüngsten Vergangenheit deutlich komplexer geworden seien. Zudem sei Schule unter Pandemiebedingungen nicht einfacher geworden und bringe eine deutlich intensivierte Elternarbeit mit sich. „An dieser Stelle wird viel Idealismus und Herzblut für das Arbeitsfeld Schule abverlangt“, so Bock. Denn die Besoldung stelle im Grundschulbereich für die meisten keine Motivation dar, sich auf die Stelle der Schulleitung zu bewerben. Noch dazu dürfe man nicht vergessen, dass die meisten Schulleiterinnen und Schulleiter auch einer Unterrichtsverpflichtung nachgehen oder Klassenleitungen innehaben. Ähnlich äußert sich ihre Kollegin Carolin Klee, die derzeit ebenfalls im Doppel-Einsatz ist.
Der Leiter des Staatlichen Schulamts in Bebra, Jürgen Krompholz, und seine für die Grundschulen zuständige Kollegin Birgit Köberich gehen ebenfalls von mehreren Gründen aus, die die Nachbesetzung von Schulleiterstellen heute schwierig machen: Gerade bei Neulingen spiele die sogenannte Work-Life-Balance zunehmend eine wichtigere Rolle, glauben sie. Hinzukomme, dass gerade im Grundschulbereich immer noch 80 Prozent der Lehrkräfte weiblich seien und bei vielen zunächst die Familienplanung anstehe. Der zunehmende Verwaltungsaufwand und die Probleme aufgrund der Pandemie mit immer neuen Verordnungen machten den Job nicht attraktiver.
Eine gute Nachricht gibt es aber: Zumindest absehbare Ruhestände stehen an den 31 Grundschulen im Landkreis in den kommenden sechs Jahren erst mal nicht bevor. (Nadine Meier-Maaz)